Manche brauchen etwas länger. 51 Jahre sind vergangen, bevor Frankreich ein "mea culpa" anstimmte. Damals, am 17. Oktober 1961 gingen in Paris Zehntausende  von algerischen Einwanderern friedlich für die Unabhängigkeit ihrer Heimat auf die Straße. Und sie bekamen es, wie ihre Landsleute zu Hause auf der anderen Seite des Mittelmeeres auch, mit den Waffen der französischen "Sicherheitskräfte" zu tun. Zwischen 50 und 200 Demonstranten - die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt - kamen dabei ums Leben. 400 sollen verschwunden sein. Augenzeugen des Massakers berichten von Leichen, die überall in der Seine schwammen.

Jetzt - wie gesagt 51 Jahre danach - nahm Frankreichs Staatspräsident François Hollande allen Mut zusammen und "ehrte das Andenken der Opfer". "Die Republik erkennt diese Tatsachen ganz klar an", fügt der Sozialist im Élysée-Palast in seinem Kommuniqué hinzu und spricht von "blutiger Repression".

"Algerien ist damit einverstanden, die Seite umzuschlagen, aber ohne zu vergessen, was geschah", begrüßt der algerische Premier Abdelmalek Sellal die Initiative. Er gehört der FLN an, die den acht-jährigen Kampf gegen die französische Kolonialisierung anführte, der 1962 zur Unabhängigkeit Algeriens führte.

Kolonialreich

In Frankreich freilich stieß die Erklärung Hollandes nicht nur auf Zustimmung. Die rechte Opposition ist der Ansicht, der Präsident stelle die Ehre der Polizei infrage. Der Bürgermeister von Nizza und Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung Christian Estrosi beendete eine Rede mit dem Ruf: "Hoch lebe das französische Algerien!" - "Ich werde keine Buße tun für die zivilisatorische Leistung Frankreichs vor 1962", weigerte sich der enge Vertraute des gegen Hollande unterlegenen, ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, sich für diese Worte zu entschuldigen.

"Der französische Nationalismus gründet auf dem Kolonialreich und der Verlust von Algerien erleben viele Franzosen bis heute als die Amputation eines Teiles ihres Landes", analysiert der in Algerien geborene und aufgewachsene französische Historiker Benjamin Stora, warum sich viele seiner Landsleute bis heute mit einer Anerkennung der Kolonialverbrechen schwer tun. (Reiner Wandler, derStandard.at, 26.10.2012)