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Auch Peter Schöttel wird froh gewesen sein, als es am Donnerstagaben vorbei war.

Foto: APA/EPA/Hochmuth

Wien - Eigentlich ist die Gruppenphase der Europa League für Rapid laut Trainer Peter Schöttel "nur ein Zuckerl". Allerdings kein süßes, sondern ein mit Pfeffer oder Senf gefülltes. Derjenige, der es lutscht, speibt sich im Extremfall an. Auf Kindergeburtstagen und Betriebsfeiern kommen die Dinger echt gut an. Sie dienen als Stimmungskanone, im Vergleich dazu kann das gewöhnliche Furzkissen einpacken. Gott, was haben wir gelacht.

Es war nicht so, dass sich die Rapidler nach dem 0:4 gegen Bayer Leverkusen übergeben haben, aber viel hat nicht viel gefehlt. Von " mangelnder Qualität" haben sie gesprochen, der routinierte Stefan Kulovits bescheinigte sich und seinen Kollegen "Kindergartenreife". Verteidiger Mario Sonnleitner verkannte die Situation. Der Hinweis, dass man in der heimischen Liga zu selten gefordert werde, war an diesem Donnerstagabend eine absolute Themenverfehlung. Rapid plagt sich nämlich auch gegen Wiener Neustadt.

Mangels Alternativen ist wieder das "große Vergessen" angesagt. Das hat bereits nach dem 0:2 im Derby gegen die Austria nicht funktioniert. Am Sonntag wird in der Liga Titelverteidiger und Spitzenreiter Red Bull Salzburg begrüßt, das klingt schlimm, zumal das 0:4 gegen Leverkusen eher zu den unvergesslichen, nicht verdaubaren Zuckerln zählte. Schöttel wurde tatsächlich gefragt, ob der Aufstieg nach drei Niederlagen ein Thema sei, in der Geschichte des Fußballs gab es selten konkretere Antworten: "Nein. Immerhin durften wir uns mit guten Gegnern messen."

Rapid steckt in der Krise. Seit sechs, sieben oder auch acht Wochen fehlt der Depression das Manische. Leverkusen war fast schon egal. Dass Schöttel "Mut" angekündigt hatte, war nur ein Akt der Notwehr. " Irgendetwas muss man ja vor einem Spiel sagen. Uns fehlt in dieser Phase das Selbstvertrauen. Das Derby stimmt mich viel nachdenklicher."

Ohne Hirn

Ursachenforschung. Die prekäre Personalsituation ist mit dem aktuellen Kader nicht zu bewältigen. Fallen etwa Steffen Hofmann und Guido Burgstaller - er ist übrigens Rapids einziger aktueller Teamspieler (Spieler ist relativ, er gehört dem Aufgebot an) - aus, sind das zwar keine Ausreden, aber nicht zu schließende Lücken. Kapitän Hofmann ist seit rund zehn Jahren das Hirn, der Antreiber. Er laboriert an einer Augenverletzung, möglicherweise läuft er gegen Salzburg mit Schutzbrille ein. Schöttel hofft es.

Der 45-Jährige kennt die Hütteldorfer Realitäten (wenig Geld und Perspektiven), er hat ja dort praktisch sein komplettes bisheriges Leben verbracht. "Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat, weil wir viele Junge haben. Wir gehen mit dem eigenen Nachwuchs einen klaren Weg. Den werde ich verteidigen, auch wenn ich irgendwann allein dastehen sollte."

Noch ist er in einer großen Gruppe, gegen Leverkusen waren 43.200 Fans im Happel-Stadion. Der Rapid-Anhang, Teile davon gelten als verhaltensauffällig und notorisch bescheuert, war diesmal extrem lieb. Er begleitete die Mannschaft stimmlich auf der Reise ins Unheil. Rudi Völler, der Sportdirektor der Deutschen, war jedenfalls beeindruckt. " Eine überragende Stimmung. Ich bin viel herumgekommen, aber das war einmalig." Schöttel blieb nur die Entschuldigung: "Wir konnten eure und unsere Erwartungen nicht erfüllen."

Leverkusen muss das 4:0 übrigens auch vergessen. Völler besteht darauf. " Obwohl unsere Vorstellung beeindruckend war." Am Sonntag warten in München die Bayern. Der Sportdirektor spendete den schönen Satz: "Das wird ein ganz anderes Spiel." Und so gab es doch noch den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen Rapid und Leverkusen. Beim Vergessen sitzt man quasi im selben Boot. Die Zuckerln schmecken freilich ganz anders. (Christian Hackl DER STANDARD 26.10.2012)