Anton, der Schreiber, involviert die Filmemacherin zusehends in seine Geschichte.

Foto: Viennale

 

Bilder von Antons Rastlosigkeit, hektische Gänge durch Wald und Wiesen, abrupte Richtungswechsel, hin und her. Sich die Decke über den Kopf ziehen und verschwinden. Und dann schreiben, Zeichen schief auf die Wände malen oder in sanften Bögen in den Sand am Ufer eines Sees.

Anton leidet von klein auf an einer autistischen Störung, sein Vermögen, sich anderen mitzuteilen, ist beschränkt. Die Eltern trennen sich bald, seine Mutter Rinata ist Antons einzige Bezugsperson, mit ihr lebt er in beengten Verhältnissen in St. Petersburg. 2008 begegnet die Filmemacherin, Cutterin und Zeitschriftenmacherin Lyubov Arkus dem Halbwüchsigen das erste Mal. Sie ist durch einen Text auf ihn aufmerksam gemacht worden, eine ebenso akribische wie einfach-poetische Reflexion des menschlichen Daseins. In einem Sommerlager entstehen die ersten Aufnahmen.

Anton tut ryadom (Anton's right here) entwickelt sich von einem Porträt schnell zu einer Chronik jener Ereignisse, die sich daran knüpfen, dass Antons Mutter an Krebs erkrankt: Weil der Teenager nicht alleine bleiben kann, droht ihm die Einweisung in eine psychiatrische Klinik. Ein Anwalt und eine Psychologin malen vor der Kamera ein düsteres Bild von dem, was Anton dort bevorstehen könnte - vollgepumpt zu werden mit Medikamenten, die seine Organe schädigen. Die Filmemacherin hat zu diesem Zeitpunkt schon begonnen, sich für ihren Protagonisten verantwortlich zu fühlen. Es gibt dafür eine treffende visuelle Entsprechung: "Raus aus dem Bild", hört man einmal den Kameramann sagen - aber da ist es schon zu spät, sie ist schon mitten drin in Antons Geschichte, und die Kamera hat ihre Funktion als Transformator erfüllt.

Es beginnt ein Prozess, in dessen Verlauf sich für Anton vieles zum Besseren entwickelt. Seine physische Erscheinung drückt solche Veränderung stets ganz unmittelbar aus. Wenn Lyubov Arkus ihren Schützling in einer kleinen betreuten Wohnsiedlung am Land wiedertrifft, ist er zuerst fast nicht zu erkennen, wirkt agil und zugleich weniger hektisch. Es gibt auch Rückschläge. Vor allem müssen Mutter und Sohn voneinander Abschied nehmen. Rinata wird an den Folgen ihrer Krebserkrankung sterben. Aber Antons Zukunft scheint gesichert.   (Isabella Reicher, Spezial, DER STANDARD, 27./28.10.2012)