Willkommen beim Es: Mehr als 200 Kunstwerke aus drei Jahrhunderten, von der Zeichenskizze über Malerei bis zum Filmausschnitt, stammen aus dem Souterrainbereich der menschlichen Psyche. Albtraum, Wahnsinn, Tod, Depression, Horror, Mord und Vergehen, Übersinnliches, Spiritistisches, Frankenstein, Gespenster, Urängste, unentrinnbare Endlichkeit, Nosferatu, Vampire, Vulkane und ein von seiner Tätigkeit todmüde gewordener Tod: All das sieht man unter dem Titel Die schwarze Romantik.
"Schrecken umflog mich, Schauder die gräßlichsten bliesen mich an, alles ward um mich lebendig, Schatten jagten sich schrecklich um mich herum, mein Zimmer war, als flöge es mit mir in eine fürchterliche schwarze Unendlichkeit hin": Der Dichter Ludwig Tieck schrieb 1792 auf, was an unentrinnbarer Melancholie und Präfreudianischem die nur scheinbar idyllische Romantik als schwarzer Faden durchzog.
Nun ist ein solcher kulturanthropologischer Ansatz nicht ganz neu. Das von Max Hollein geleitete Städel-Museum reiht sich mit dieser teils überdimensionierten Schau über Außerweltliches und Außersinnliches in eine Ausstellungsreihe in der Schirn Kunsthalle ein, deren Chef ebenfalls Max Hollein heißt: 2011 gab es dort Geheimgesellschaften und Surreale Dinge, im Jahr davor Weltenwandler, 2007 Turner Hugo Moreau und Odilon Redon sowie 2005 James Ensor.
Ensor, Moreau, Hugo, Redon und Surrealisten findet man auch in der streng chronologisch gehängten Schwarzen Romantik wieder. Dabei ist eigentlich schon im ersten Saal in den Sonderausstellungsräumen im Untergeschoß alles vorbei. Und die Welt am Ende.
Der schweizerisch-englische Maler und Publizist Johann Heinrich Füssli malte 1790/91 den Nachtmahr, 1802 den Satan, der Naturmystiker William Blake im Jahr drauf den fürchterlichen Großen roten Drachen und Samuel Colman 30 Jahre später das Finale: den Weltuntergang - den so fulminant auch der Katastrophenfilmer Roland Emmerich in 2012 nicht besser hinbekommen hat.
Kurator Felix Krämer hat einiges aus dem Depot herausgeholt, was mitunter durchaus verdient darin geschlummert hat. Etwa Arbeiten aus der symbolistischen Zeit, Léon Frédérics plakatives Vanitas, das matte Mädchen mit Masken (Kommunion) von James Ensor, Oskar Zwintschers kurioses Gemälde Gram oder Carlos Schwabes Die Welle, die Krämer im Kapitel "Seelenmaler" zusammengefasst hat.
Manche Künstler sind beinahe überrepräsentiert, Eugène Delacroix beispielsweise mit drei, vier schwächeren Arbeiten. Dafür entschädigt gleich daneben das Kabinett mit Victor Hugos Tusch-Impromptus. Moritz von Schwind erscheint leicht deplatziert, ohnehin ist die vierte Sektion " Mythen und Märchen" am entbehrlichsten. Hätte man dafür nicht Alfred Kubin, von dem das Oberösterreichische Landesmuseum ein gutes Dutzend Zeichnungen nach Frankfurt geliehen hat, mehr Gruselraum als ein schmales Kabinett geben können?
Wieso René Magrittes Der mörderische Himmel zeigen, wenn sein Bild Die Gestalten der Nacht daneben prägnanter und unheimlicher ist? Mit acht Gemälden und einer Plastik ist Max Ernst fast ein ganzer Saal eingeräumt. Doch wieso stattdessen nicht mehr als nur eine Handvoll surrealistischer Fotografien von Salvador Dalí, George Brassaï und Erwin Blumenfeld präsentieren? Am Schluss wirkt Paul Klees Das Haus zur Distelblüte neben Wolfgang Paalens Verbotenem Land anekdotisch, geradezu idyllisch, putzig. Romantisch, fast. (Alexander Kluy aus Frankfurt, DER STANDARD, 24.10.2012)