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Die Gedenkfeiern begannen mit einem Fackelzug von Studenten vor der Technischen Universität von Budapest.

Foto: EPA/Lajos Soos

Ungarn hat am Dienstag des Ausbruchs der anti-sowjetischen Revolution von 1956 gedacht. Die verfeindeten politischen Lager nutzten den Anlass, wie auch schon in vergangenen Jahren, zur eigenen Selbstdarstellung. Heuer kam allerdings hinzu, dass in nicht mehr als eineinhalb Jahren, im Frühjahr 2014, die nächsten Parlamentswahlen anstehen.

Zehntausende demonstrierten auf der Kundgebung der zivilen Facebook-Initiative Milla (Eine Million für die Pressefreiheit) gegen die seit 2010 amtierende Regierung des machtbewussten Rechts-Populisten Viktor Orbán. Rund 100.000 Anhänger dieses Politikers fanden sich zeitgleich vor dem Parlament ein, um ihrem Idol zuzujubeln. Alle Kundgebungen verliefen friedlich.

Bereits vor Wochen hatte die Milla lanciert, dass auf ihrer Demonstration der ehemalige Ministerpräsident Gordon Bajnai sein "politisches Comeback" verkünden würde. Der parteilose Technokrat hatte nach dem Rücktritt des gescheiterten Sozialisten Ferenc Gyurcsány das letzte Jahr vor Orbán regiert. Er hatte die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise und der hausgemachten Budgetkrise einigermaßen in Griff gebracht, war nicht selbst zur Wahl 2010 angetreten und hatte die Amtsgeschäfte an Wahlsieger Orbán übergeben. Ihn umweht der Nimbus des effizienten Machers, des nüchternen Managers.

Seine Ansprache auf der Milla-Kundgebung geriet feuriger, als viele erwartet hatten. "Diese Regierung will euch einschüchtern", rief: "Aber seht euch um: Ihr seid nicht allein. Gemeinsam können wir es schaffen." Ein Hauch von Obama 2008 lag in der Luft.

Neue Wählerbewegung

Bajnai, der Milla-Macher Péter Juhász und der unabhängige Gewerkschafter Péter Kónya (Szolidaritás) kündigten die neue Wählerbewegung "Zusammen 2014" (Együtt 2014) an. Sie soll die Plattform für eine geeinte Opposition bilden. Denn die Wahlgesetze, die Orban mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament durchboxte, lassen seinen Gegnern gar keine andere Chance, als gemeinsam anzutreten. Möglicherweise mit Bajnai als dem Herausforderer, als gemeinsamem Ministerpräsidenten-Kandidaten der Opposition.

Doch es gibt Unwägbarkeiten, denn Bajnai ist auch angreifbar. Als Mitglied der Regierung Gyurcsány habe er vor seiner eigenen Ministerpräsidentschaft alles anstandslos mitgemacht, behaupten seine Kritiker. Die populistische Öffentlichkeit, wie sie von Orbán gerne mobilisiert wird, wirft ihm seine Nähe zur internationalen Finanzwelt vor, zur kapitalistischen Unternehmenskultur der Nach-Wende-Zeit mit ihren "Spekulanten" und "Off-Shore-Rittern".

Orbán konnte da jedenfalls nicht abseits stehen. Der ihm nahestehende Tycoon und Zeitungsherausgeber Gábor Széles organisierte für ihn, wie schon zu Jahresanfang, einen sogenannten "Friedensmarsch" mit anti-westlichen Untertönen - und Transparent-Losungen wie: "Aus dem Osten: Tanks. Aus dem Westen: Banken." Der umstrittene Regierungschef knüpfte an seine eigene Anti-EU-Rhetorik an, die die Herrschaft Moskaus über Ungarn in der kommunistischen Zeit mit den "Diktaten aus Brüssel" gleichsetzt. Orbán am Dienstag: "Auch wenn sie mit verfeinerten Methoden kommen, lassen wir uns nicht von Fremden regieren." (Gregor Mayer, DER STANDARD, 24.10.2012)