Wien - Wortspiele mit dem Namen des Festivals hätten sich die Veranstalter verbeten, gab ein gut gelaunter Armin Thurnher am Beginn seiner Eröffnungsrede zu Wien Modern im Theater an der Wien preis - um dann doch Hugo von Hofmannsthals "modrige Pilze" in den Mund zu nehmen, zu denen dem Dichter in seinem Chandos-Brief die Worte zerfallen waren. Diese Gefahr bestand beim Falter-Chef kaum: Mit geschliffener Dialektik sagte er der Barbarei den Kampf an, formulierte Metaphern rund um den Altwiener Suppentopf und forderte von der Politik - wenig überraschend, aber nicht unangebracht - ein klareres Bekenntnis zu zeitgenössischer Kunst ein.

Aufmerksamkeitsfördernd waren dann die beiden Werke von Olga Neuwirth, die theatralisch zu einer pausenlosen Einheit zusammengefasst wurden: In Kloing! lässt die Hauptkomponistin des heurigen Festivals einen Pianisten gegen einen computergesteuerten Bösendorfer anspielen, dessen Tasten wie von Geisterhand in Bewegung sind und es dem Menschen davor immer unmöglicher machen, seinen Ritt durch das Klavierrepertoire zu absolvieren.

Marino Formenti tat das Unmögliche mit aller Wucht und - etwa bei Schubert-Zitaten - expressiver Verzweiflung, während auf Videoebene ein automatisches Welte-Mignon-Klavier, pianistische Prominenz und jenes Comic-Vorbild gezeigt wurden, der die Idee für das Stück eng verwandt ist: eine Episode aus Tom & Jerry, wo die Maus im Flügel agiert und den Pianistenkater über den Rand der Erschöpfung hinaustreibt.

Während des Umbaus kamen dann eher halblustige Anweisungen für das Publikum von der Videowand, wie es zu klatschen, zu atmen und entspannt sein zu habe, derweil das Klangforum Wien und Countertenor Andrew Watts für die Hommage à Klaus Nomi in Stellung gingen - ebenfalls videobegleitet und dem Ziel extremer, übersteigerter Ausdruckswerte bis zu ihrem Kippen verpflichtet. Obwohl Neuwirth die originalen Nomi-Songs von den Noten her weitgehend unangetastet gelassen hat, sind sie klanglich ungeheuer verzerrt, was das Klangforum unter der Leitung von Clement Power phänomenal umsetzte.

Nomis Stimme mit ihrem ganz eigenen Sound jenseits klassischer Techniken durch einen klassischen Sänger zu ersetzen ist freilich ein Drahtseilakt, für den Watts seine ganze Persönlichkeit in die Waagschale warf, Nomis Gestik imitierte, jedoch nicht umhin konnte, all seine vokale Souveränität einzusetzen. Das Brüchige von Nomi fehlte deshalb in dieser Hinsicht dann doch. Sei's drum: Dem Publikum (abzüglich eines einsamen Buh-Rufers) gefiel es. Möge das Festival in den nächsten drei Wochen (bis 16. 11.) die Beachtung finden, die es verdient!

Rhapsodischer Bilderreigen

Was die Wien-Modern-Eröffnung nicht bot, gab es am selben Abend im Musikverein: eine Uraufführung. Mit Krzysztof Pendereckis Doppelkonzert für Violine, Viola und Orchester erklang ein Auftragswerk der Gesellschaft für Musikfreunde. Eigentlich weniger Konzert als rhapsodischer Bilderreigen, unterhielt das 20-minütige, kleinteilig strukturierte Werk mit seinen prägnanten, variablen Stimmungszeichnungen und seiner leicht konsumierbaren, vergangenheitssatten Tonsprache prächtig.

Eine düstere Grundstimmung dominiert; es wechseln Episoden mit Akkordflächen der Streicher, über welchen sich das gut beschäftigte Solistenpaar Janine Jansen (Violine) und Julian Rachlin (Viola) wild-intensiver Emotionsexpression hingibt, mit motorisch geprägten Abschnitten à la Schostakowitsch, in welche sich das Orchester, speziell Bläser und das Schlagzeug, mehr einbringt. Jansen und Rachlin interpretierten die Novität mit Mariss Jansons und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks formidabel und gaben noch eine Penderecki-Chaconne zu.

Die gut 200 Jahre, die Beethovens Eroica auf dem Buckel hat, merkte man ihr in der unvergleichlich frischen, delikaten, Maßstäbe setzenden Wiedergabe der Bayern nicht an. Wer sie gehört hat, wird diese Interpretation sein Lebtag nicht vergessen.