"Kinder gehören nicht ins Großlager" - unter diesem Motto fand eine Aktion von SOS Mitmensch, Amnesty International und der Caritas statt.

Foto: derstandard.at/burg

Aktion vor dem Bundeskanzleramt in Wien. Im Hintergrund die Vorbereitungen für den Nationalfeiertag.

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"Es ist ein positives Signal, dass seit Jahren säumige Bundesländer versprechen, Unterbringungsplätze zu schaffen", sagt Alev Korun, Integrationssprecherin der Grünen, über die Asylgipfelgespräche der Bundesregierung vom Dienstag. Doch die Frage der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge habe die Regierung wiederum ausgeklammert. "In letzter Konsequenz ist es nicht auszuschließen, dass es zu einer Klage durch die EU kommen könnte", sagt Korun im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Sie haben vor dem Asylgipfel gegen die Bedingungen protestiert, unter denen fast 600 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im Erstaufnahmezentrum Traiskrichen leben müssen. Was kritisieren Sie?

Korun: Die Zahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hat in den letzten beiden Jahren sehr stark zugenommen, das ist auch der europäische Trend. Umso mehr brauchen wir jetzt endlich Einrichtungen, in denen diese Kinder altersgerecht untergebracht werden können.

In Traiskirchen haben wir diese Strukturen nicht. Diese Kinder sind großteils im "Frauenhaus" des Lagers mit untergebracht und haben niemanden, der sich ihrer Rechte umfassend im Rahmen einer Obsorge annimmt. Viele von ihnen gehen monatelang in keine Schule. Diese Kinder werden an ihrer Entwicklung behindert und ihrer Zukunft beraubt.

derStandard.at: Die EU hat Mindestnormen für die Aufnahme von AslywerberInnen definiert: Für unbegleitete Minderjährige soll möglichst früh ein Vormund bestellt werden, sie müssen Zugang zu Bildung haben. Sie sagen, das passiert in Österreich nicht. Ist eine Klage der EU denkbar?

Korun: Mit der jetzigen Situation brechen wir internationales und unser eigenes Recht. Es gibt die UN-Kinderrechtskonvention und das Haager Übereinkommen zum Schutz von Minderjährigen. Die UN-Kinderrechtskonvention haben wir unterzeichnet. Und wir haben selbst Jugendwohlfahrtsgesetze. Das Burgenland verletzt sein eigenes Jugendwohlfahrtsgesetz, ebenfalls andere Bundesländer, wenn sie minderjährige Flüchtlinge nicht versorgen.

In letzter Konsequenz ist es nicht auszuschließen, dass es zu einer Klage durch die EU kommen könnte. Ich habe bereits letzte Woche eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Eisenstadt eingebracht wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch wegen Nichtübernahme der Obsorge von fünf Minderjährigen, die im Burgenland aufgegriffen worden waren.

derStandard.at: Wie kann sich die Zivilgesellschaft in dieser Sache engagieren?

Korun: Letzte Woche wurde bekannt, dass ein vierjähriges kosovarisches Kind, das noch in den Windeln war, vom Burgenland nach Traiskirchen geschickt worden war. Ich bin selbst Mutter eines vierjährigen Kindes. Wenn ich mir vorstelle, mein Kind steht alleine auf der Straße, und ein Bundesland sagt, das interessiert uns nicht, das schicken wir in ein Großlager, läuft es mir kalt über den Rücken.

Ich bin sicher, dass alle Menschen in unserem Land diese Vorgangsweise für ihr eigenes Kind oder für ihre Nichte oder ihren Neffen ablehnen. Wenn alle die Stimme erheben, etwa in Form von Protestbriefen oder Kundgebungen, dann muss die Regierungspolitik endlich aktiv werden.

derStandard.at: Das Innenministerium verweist bei der Verantwortung oft auf die Länder. Die sagen wiederum, sie erhalten vom Bund nicht genug Geld, um Asylwerber adäquat zu betreuen.

Korun: Es liegt an den Bundesländern und an der Innenministerin, gemeinsam die Erhöhung der Tagessätze zu beschließen. Beide sind verantwortlich. Beide müssen aktiv werden, denn sonst macht sich die Politik gänzlich unglaubwürdig. Verantwortungsvolle Politik sollte Probleme gar nicht erst entstehen lassen. Die Probleme, die wir jetzt mit der Unterbringung haben, müssten wir nicht haben. Sie sind leider hausgemacht.

derStandard.at: Beim Asylgipfel wurde nun vereinbart, dass 1.000 Flüchtlinge aus Traiskirchen auf andere Bundesländer verteilt werden. Ist das die Lösung des Problems?

Korun: Es ist ein positives Signal, dass seit Jahren säumige Bundesländer versprechen, Unterbringungsplätze zu schaffen. Die Frage der Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen wurde aber nach derzeitigem Wissensstand völlig ausgeklammert. Ohne eine kindgerechte Versorgung dieser Kinder und Jugendlichen wird das derzeitige Problem nicht gelöst sein. Derzeit müssen 570 unbegleitete Minderjährige im Großlager Traiskirchen ausharren.

derStandard.at: Was fordern Sie nun der Regierung und den Bundesländern?

Korun: Es braucht den Aufbau von Einrichtungen, die kindgerecht unterbringen und versorgen. Das sind nicht irgendwelche Gasthäuser, wo derzeit volljährige Asylwerber oder Familien wohnen. Die Jugendwohlfahrtsbehörden müssten auch bei allen unbegleiteten Minderjährigen die Obsorge übernehmen und sich um ihre Belange kümmern. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 23.10.2012)