Michael Bloss freut sich über steigende Preise, kritisiert aber auch Umweltschäden: "Der Westen hat lange bewusst weggeschaut."

Foto: Privat
Foto: UVK Verlag

Notenbanken und Privatanleger haben in den letzten Jahren viel Gold gekauft. Erstere wollen damit den Wert ihrer Währung sichern, zweitere ihre privaten Ersparnisse. Wenn nun auch noch China weiter US-Staatsanleihen in großem Stil in Gold umtauscht, dann steigt der Goldpreis auf über 2.000 Dollar, meint Commerzbank-Vermögensverwalter und Buchautor Michael Bloss im Interview mit derstandard.at.

derStandard.at: Warum sind Menschen von Gold fasziniert?

Bloss: Wir sind so erzogen worden. Wir suchen bei Geld nach einem Anker, der einen Werterhalt darstellt. Und das ist meiner Ansicht nach nur durch Gold, Land, Immobilien oder Firmenanteile gegeben. Das Besondere an Gold ist, dass es nur eine beschränkte Menge davon gibt. Wenn man in der Geschichte zurückschaut, sieht man, dass die großen Vermögen immer durch Gold - sei es in Barren- oder Münzform - gesichert wurden.

derStandard.at: Durch die Wirtschaftskrise ist die Nachfrage in den letzten Jahren stark gestiegen. Kaufen die Leute weiter wie "verrückt" Gold?

Bloss: Ja, aus zwei Gründen. Zum einen werden wir die Krise nicht in absehbarer Zeit lösen können. Das werden lange Jahre werden. Und wir haben insofern eine Wandlung gesehen, als dass die Zentralbanken auf die Käuferseite gewechselt sind. Größere Nachfrage trifft auf ein knapperes Angebot. Wir werden steigende Goldpreise sehen.

derStandard.at: Welche Preishöhen sind möglich?

Bloss: Wenn China mit der Intensität weiter wächst, wenn die chinesische Zentralbank weiter eine neue Politik, nämlich die Sicherung des Volksvermögens durch Gold und nicht durch US-Treasuries (amerikanische Staatsanleihen, Anm.), verfolgt, wenn auch andere Zentralbanken weiter zukaufen, dann werden wir einen Goldpreis weit über 2.000 Dollar je Feinunze sehen.

derStandard.at: Wie kommt es, dass in China der Goldanteil an den Währungsreserven mit 1,6 Prozent so gering ist?

Bloss: Das ist in der chinesischen Denkweise verankert. Der Volkskongress hat früher gesagt, wir wollen mit dem Geld, das wir haben, Einkommen erzeugen, sprich Zinsen bekommen. Sie haben sich dann US-Treasuries herausgesucht, weil sie sich gesagt haben, die Amerikaner können zahlen. Sie haben aber gar nicht bemerkt, dass sie die Zinsen gar nicht ausbezahlt, sondern immer neue Treasury Notes geliefert bekommen. China hat im Prinzip lauter Papier rumliegen, das faktisch Zinsen abwirft, aber kein Geld. Jetzt fangen die Chinesen aber an, Treasuries in Gold umzutauschen. Sie machen das, damit sie haptische Sicherheit haben, und nicht nur das Zahlungsversprechen einer amerikanischen Regierung.

derStandard.at: Hängen die chinesischen Goldkäufe auch damit zusammen, dass im Land mehr Gold gefördert wird?

Bloss: China hat Südafrika als weltgrößten Goldproduzenten abgelöst. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern, exportieren die Chinesen aber nicht viel. Sie behalten sehr, sehr viel Gold im eigenen Land.

derStandard.at: Stichwort Gier: Sie schlagen in Ihrem Buch den Bogen zwischen Goldrausch und heutigen Industriekonzernen, prangern die Umweltzerstörung damals wie heute an. Der Mensch steckt auf seiner Lernkurve fest, schreiben Sie. Warum ist das so?

Bloss: Man muss sich nur anschauen, wo die maßgeblichen Goldlagerstätten liegen und sich fragen: Hat da die westliche Gesellschaft Einfluss darauf? Der Abbau hat nicht vor der Haustüre stattgefunden, also hat der Westen lange bewusst weggeschaut.

derStandard.at: Schauen die internationalen Konzerne heute genauer hin?

Bloss: Ich glaube, vor allem die Länder selber werden das tun. Wir erleben es gerade in Südafrika, wo massiv gestreikt wird. Die südafrikanischen Minen produzieren um 40 Prozent weniger als letztes Jahr. Das bringt ein Umdenken mit sich.

derStandard.at: Ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Bloss: Momentan ist die Lage noch verheerend. Die Langzeitschäden, die durch Zyanid und Quecksilber auftauchen, werden gar nicht gemessen. Im Endeffekt landet das Ganze wieder bei uns. Dann gibt es wieder einen Lebensmittelskandal, weil wir mit Schwermetallen verseuchte Fische oder Meeresfrüchte im Regal stehen haben.

derStandard.at: Das kolumbianische Projekt "Oro Verde" ist das erste, das ein Öko-Label erhält. Was halten Sie davon?

Bloss: Ich bin kritisch, wenn man ein Projekt durchführt, nur um ein Label zu bekommen. Wenn es nur um einen gewissen Marketing-Effekt geht, dann halte ich nichts davon. Daran etwas ändern kann nur ein weltweiter Öko-Standard. Alles lässt die Technik zudem nicht zu, sie zeigt klare Grenzen auf.

derStandard.at: Ein Label allein reicht nicht?

Bloss: Ich vergleiche das immer mit der Einführung der Katalysatoren. Der damalige deutsche Umweltminister Klaus Töpfer hat die Parole ausgeben: "Jedes Auto braucht einen Kat." Heute kommt kein Auto ohne aus. Und irgendwann wird das in der Minenbranche auch so sein. Aber da muss der Druck von außen kommen, da muss der Weltmarkt sagen, wir kaufen das nicht mehr. Das Risiko: Länder wie China, wo das ethische Gewissen weniger ausgeprägt ist, kaufen weiter zu.

derStandard.at: Bei Massengütern wie Papier gibt es Preisunterschiede. Gibt es die bei Gold auch?

Bloss: Es gibt beim reinen Gold keinen Preisunterschied, weil es prinzipiell dasselbe Produkt ist. Der Preis für eine Feinunze (31,1 Gramm, Anm.) wird täglich in London und New York gestellt.

derStandard.at: Der Goldstandard garantierte nach dem Zweiten Weltkrieg die jederzeitige Umwandelbarkeit des Dollars in Gold. Feiert er eine Renaissance?

Bloss: Nein, denn das Wachstum, das wir in den letzten 40 Jahren genossen haben, wäre in dieser Form gar nicht möglich. Die Ausgabe neuen Geldes wäre immer durch Gold gedeckelt. Wenn eine 1:1-Deckung eingeführt wird, dann begrenzt man automatisch eine Volkswirtschaft im Wachstum. Die Modernisierung unserer Gesellschaft mit PC und iPad hätten wir so nie gesehen.

derStandard.at: Gilt das auch fürs Vollgeld, wo jeder im Umlauf befindliche Euro - im Gegensatz zur Geldschöpfung der Banken per Knopfdruck - von der Zentralbank gedeckt würde?

Bloss: Ja, absolut. Es würde die Wirtschaft drastisch kürzen und in eine Rezession führen. Wenn sie in einem europäischen Staat das Bankensystem nur für einen Tag ausschalten, meldet dieser Staat wahrscheinlich am nächsten Tag Insolvenz an.

derStandard.at: Führt der richtige Weg in eine Teildeckung?

Bloss: Nationen wie Deutschland, Österreich oder die Schweiz haben einen Teil mit Gold gedeckt. Das sind die Kernstaaten, die jetzt in der Krise gut dastehen. Es ist interessant, dass viele Länder, die ein geringes Bruttoinlandsprodukt haben, auch wenig bis gar keine Goldreserven haben. Die müssten diese jetzt extrem stark ausbauen, aber ich glaube das funktioniert nicht.

derStandard.at: Es gibt aber auch arme Länder wie die Türkei, die ihre Goldreserven stark ausbauen.

Bloss: Die Türkei hat einen super Wandel vollzogen. Die Türkei hatte vor zehn Jahren das Problem, das Griechenland heute hat. Zugebenermaßen mit einer eigenen Währung. Das Land hatte kein Geschäftsmodell. Die billige, aber erfolgreiche Textilproduktion hat sie dann aus dem Loch hinausgeführt.

derStandard.at: Ist das ein Modell für Griechenlands Wiederauferstehung, wie sie Ministerpräsident Samaras angekündigt hat?

Bloss: Ja, diese Reformen könnten die Griechen auch hinkriegen. Aber nur dann, wenn die Gläubigerstaaten auf Schulden verzichten und man Griechenland in die Drachme entlässt, damit das Land abwerten kann. Der Weg über das Eurosystem bedeutet einen viel, viel größeren Aufwand.

derStandard.at: Was sagen Sie eigentlich zur Aussage des Investors George Soros, Deutschland solle entweder für kriselnde Euroländer zahlen oder austreten?

Bloss: Das ist absoluter Schwachsinn. Zum einen kann das Deutschland gar nicht alles bezahlen. Und zum anderen können wir nicht austreten, weil sonst auch die deutsche Wirtschaft ganz schnell am Boden ist. Ifo-Ökonom Hans-Werner Sinn warnt in diesem Fall vor einer Rezessionswelle von 30 Prozent im Mittelstand.

derStandard.at: Also doch der lange Weg über eine Fiskalunion?

Bloss: Ja, damit wird ein Konstruktionsfehler des Euroraums behoben. Wir brauchen jetzt mehr politische Union, dann klappt das auch wieder mit der wirtschaftlichen Union. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 24.10.2012)