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Begehen wohlhabende und gut vernetzte Menschen weniger Verbrechen, oder können sie ihre Schandtaten nur besser verheimlichen? Wer in Österreich in Haft sitzt, kommt jedenfalls meist aus ärmlichen Verhältnissen.

Foto: AP/Villagran

Verturteilungen nach dem Strafgesetz.

Grafik: Der Standard

In Österreich gibt es 27 Justizanstalten: sieben Strafvollzugsanstalten für Männer, eine für Frauen, drei Anstalten dienen dem Maßnahmenvollzug, außerdem gibt es 15 gerichtliche Gefangenenhäuser, das größte davon in der Wiener Josefstadt. Rund 9000 Menschen sitzen derzeit hinter Gittern.

Wer hineinmuss, hängt nicht nur vom jeweiligen Strafdelikt ab, sondern auch von Herkunft, Bildung und Seilschaften, was, so meint der Wiener Strafversteidiger Werner Tomanek, den Rechtsstaat in eine Zwei-Klassen-Justiz teilt. In seinem neuen, gleichnamigen Buch zieht der 48-jährige Jurist aus Ottakring Vergleiche mit der Zwei-Klassen-Medizin. Wer entsprechend vernetzt sei und es sich leisten könne, erhalte im Ernstfall die bessere Behandlung.

Anteil der Nichtösterreicher in Haft verdoppelt

Viele Daten aus dem aktuellen Sicherheitsbericht scheinen dem Strafverteidiger, dessen Mandanten nicht nur, aber häufig aus unteren Schichten und zum Teil aus dem Ausland kommen, recht zu geben. In der Verurteilungsstatistik fällt beispielsweise auf, dass bei leichteren Delikten noch eindeutig österreichische Staatsbürger den Großteil ausmachen. Schon bei verhängten Gefängnisstrafen zwischen einem bis drei Jahren wird der Anteil von Ausländern unverhältnismäßig groß. Erst bei lebenslangen Haftstrafen liegen österreichische Verbrecher wieder vorne. Andererseits wird ausländischen Straftätern fast nie eine elektronische Fußfessel gewährt, was aber dadurch zu erklären ist, dass für die Gewährung dieser Maßnahme ein Wohnsitz in Österreich unbedingt notwendig ist.

Am Stichtag 1. September 2011 befanden sich 4027 Nichtösterreicher in gerichtlicher Haft, ihr Anteil an allen Insassen von Justizanstalten hat sich gegenüber den 1990er-Jahren mehr als verdoppelt und erreichte mehr als 46 Prozent. Die Zahl österreichischer Insassen im Jahresdurchschnitt liegt nach einem massiven Rückgang in den 1980er-Jahren seither mit geringen Schwankungen bei etwa 5000. "Die Zunahme der Insassenzahlen in den vergangenen Jahren ist also ausschließlich auf eine Zunahme von Fremden in Haft zurückzuführen", heißt es im Sicherheitsbericht des Justizministeriums.

Pflichtschulabsolventen häufiger in Haft

In den Haftanstalten sind weiters Menschen mit geringer Bildung überrepräsentiert: Fast genau zwei Drittel aller österreichischen Insassen haben nicht mehr als höchstens einen Pflichtschulabschluss, nur neun von hundert sind Häftlinge mit Matura. Im Vergleich dazu liegt der Anteil der Personen mit Matura österreichweit bei 24 Prozent, der Anteil von Personen mit Pflichtschulabschluss als höchstem Bildungsniveau nur bei 27 Prozent.

Weit mehr als die Hälfte aller österreichischen Insassen hatten vor Haftantritt überhaupt kein Einkommen - konnten sich also im Vorverfahren keine teuren Rechtsanwälte und Privatgutachten leisten. (moe/simo, DER STANDARD, 23.10.2012)