"Wir kooperieren aus taktischen Gründen mit 'Swoboda'", sagt Maxym Kidruk.

Foto: kidruk.com

Mit Spannung wird in der Ukraine das Abschneiden der Partei des amtierenden Boxweltmeisters Witali Klitschko erwartet, die zum ersten Mal bei landesweiten Wahlen antritt. UDAR ("Schlag") heißt das westlich orientierte Bündnis, mit dem Klitschko gegen Korruption und Demokratiedefizit kämpfen will. Seine Chancen, ins Parlament zu kommen, sind groß, aktuelle Umfrage prognostizieren UDAR bis zu 19 Prozent der Stimmen.

Auch der Autor Maxym Kidruk geht mit UDAR ins Rennen. Kidruk erklärt im derStandard.at-Interview, warum er sich für die Politik entschieden hat, mit welchen Schikanen er zu kämpfen hat und warum Klitschko kein Problem damit hat, auch mit der ultranationalistischen Partei "Swoboda" zu koalieren.

derStandard.at: Sie treten in der Ukraine für die Klitschko-Partei UDAR an. Bisher hörte man von Ihnen nur als Autor belletristischer, nichtpolitischer Texte. Was hat Sie dazu bewogen, in die Politik zu gehen?

Kidruk: Ja, das stimmt. Ich war bisher als Autor in meinen Texten nicht politisch. Allerdings bin ich auch einfach nur ein Bürger der Ukraine, der besorgt beobachtet, in welche Richtung sich das Land entwickelt. Nämlich in eine furchtbar falsche Richtung. Und ich denke, dass das nicht nur für die Ukrainer augenscheinlich ist, sondern für die gesamte EU.

Als eine öffentliche Person könnte es mir leichter fallen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen und damit Veränderungen in der Ukraine zu bewirken. Darum trete ich an. Außerdem habe ich etwas, was wir hierzulande Europaerfahrung nennen. Ich habe lange Zeit in der EU gelebt, habe in Schweden studiert und bin viel gereist. Sollte ich ins Parlament kommen, ist das eine Möglichkeit, einen Teil dieser Erfahrungen in meine Politik für die Ukraine einfließen zu lassen.

derStandard.at: Worum sind Sie konkret besorgt? Welche Entwicklung sehen Sie in der Ukraine? Eine diktatorische?

Kidruk: Mein Land entwickelt sich immer schneller in Richtung einer Autokratie und Diktatur. Noch ist die Situation nicht wirklich akut, aber wenn die Ukraine weiter auf dieser Schiene bleibt - und die "Partei der Regionen" (von Präsident Viktor Janukowitsch, Anm.) an der Macht bleibt -, werden wir noch enden wie Weißrussland. Wenn ich die Wahrheit sagen soll, verlasse ich mich dahingehend sehr auf die OSZE und andere internationale Wahlbeobachter. Sie werden die Wahl hoffentlich gründlich überwachen und dabei helfen, die Stimmen der Ukrainer zu schützen, die die demokratischen Parteien unterstützen.

derStandard.at: Sie sind Kandidat im 99. Wahlbezirk, in dem auch der Sohn von Präsident Janukowitsch antritt.

Kidruk: Er tritt nun doch nicht regional an. Leider hat Janukowitsch junior im letzten Moment entschieden, bei der Wahl direkt auf der Liste der "Partei der Regionen" anzutreten. So sind wir also nicht in einem direkten Duell. (Nach dem neuen Wahlgesetz werden 225 Sitze über Parteilisten und die restlichen 225 über Direktwahlkreise vergeben, Anm.).

derStandard.at: Wie würden Sie den Politiker Witali Klitschko beschreiben?

Kidruk: Witali ist is smart, vertrauenswürdig und ein zielgerichteter Mann. Er ist um einiges klüger, als man sich das von einem professionellen Boxer gemeinhin erwarten würde. Wirklich gut für die Ukraine ist seine zweifellos westliche Orientierung.

derStandard.at: Welche Strategie verfolgt die Partei UDAR? Mit welchen Inhalten will sie die Ukrainer überzeugen?

Kidruk: Das Hauptziel von UDAR ist es, die Partei der Regionen loszuwerden, die sowohl Regierung als auch Parlament beherrscht. Der zweite Schritt ist es, gegen Korruption und Bestechung als übliche Mittel in Politik und Wirtschaft vorzugehen. Nur dann kann man die Wirtschaft stärken und die Ukraine für Investoren interessant machen.

derStandard.at: Würde UDAR auch mit der ultranationalistische Partei "Swoboda" (Freiheit) koalieren, um die Partei der Regionen loszuwerden?

Kidruk: Wir kooperieren aus taktischen Gründen schon. Vor einigen Tagen hat UDAR ein Oppositionsbündnis geschlossen und in verschiedenen Regionen 26 Kandidaten zurückgezogen, um für aussichtsreiche "Swoboda"-Kandidaten Platz zu machen, und sechs Kandidaten für andere unabhängige Kandidaten. Außerdem hat Witali Klitschko bereits deutlich gemacht, dass er mit allen demokratisch gewählten und westlich orientierten Kräften, die über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, zusammenarbeiten will.

derStandard.at: UDAR wird oft vorgeworfen, ein Produkt der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung zu sein.

Kidruk: Davon hab ich noch nie gehört.

derStandard.at: Erfolgreiche Parteien in der Ukraine werden von Oligarchen gesponsert. UDAR auch?

Kidruk: Wir haben keine Oligarchen in der Partei. Ich weiß, das klingt nach einem Stehsatz, aber es ist wahr. Jeder kann das übrigens auf der Website der Zentralen Wahlkommission nachprüfen. Ich will damit nicht sagen, dass es keine vermögenden Personen bei der Partei gibt, schließlich ist auch Witali selbst kein armer Mann. Aber UDAR will nichts zu tun haben mit dieser Sorte von Geschäftsleuten.

derStandard.at: Welche Hindernisse werden Oppositionsparteien in der Ukraine in den Weg gelegt?

Kidruk: Hindernisse? Viele. Überall. Bei jeder Gelegenheit. Zum Beispiel wurde ich vor ein paar Tagen von der "Partei der Regionen" angezeigt. Warum? Sie wollen mich daran hindern, Werbematerial zu produzieren und zu veröffentlichen, auf dem ich gemeinsam mit Witali zu sehen bin. Das Argument: Witali würde auf der Parteiliste der UDAR für das Parlament antreten, ich hingegen als Direktkandidat in den Regionen. Das ist lachhaft. Wie auch immer: Solche Beispiele finden sich zuhauf. Außerdem schreckt die "Partei der Regionen" nicht vor massiven Schmutzkübelkampagnen gegen die Opposition im Fernsehen zurück. Je näher der Wahltag rückt, umso schmutziger werden ihre Mittel.

derStandard.at: Wie massiv ist die Einflussnahme der "Partei der Regionen" auf die Medien allgemein?

Kidruk: Was die Massenmedien betrifft, ist die Situation gar nicht so schlimm. Natürlich werden viele große TV-Kanäle, Magazine und Zeitungen von der führenden Partei kontrolliert. Allerdings sind die Oppositionsparteien in der Lage, Werbung in zahlreichen anderen Medien zu schalten. Man kann sagen, dass es in 70 bis 80 Prozent der Berichte oder Werbeeinschaltungen um die "Partei der Regionen" geht. Diese Wahl ist zwar definitiv nicht fair, aber zumindest einigermaßen frei.

derStandard.at: Wie sehen Sie den Prozess gegen Julia Timoschenko?

Kidruk: Das ist natürlich ein politisch motivierter Prozess und Timoschenko muss freigelassen werden. (Manuela Honsig-Erlenburg, derStandard.at, 23.10.2012)