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Auch Microsoft-Chef Ballmer ist davon überzeugt, dass Windows 8 bei den Usern ankommen wird.

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Microsofts neuestes Betriebssystem Windows 8 räumt mit vielen Paradigmen seiner Vorgängersysteme auf. Erstmals ist die Software von Grund auf für Desktop- und Touchbedienung gestaltet. Und nicht nur das: Microsoft gab gar die Parole "Touch first!" aus. Unter dieser Prämisse wurde nicht nur der Startbildschirm mit einem neuen Interface ausgerüstet, sondern auch der Desktop zusammengestutzt. Diesen Maßnahmen fiel auch der klassische "Start"-Button zum Opfer.

Ende eines Urgesteins

Sein Debüt gab die Schaltfläche vor rund 17 Jahren mit Windows 95. Trotz mancher Schwächen und vieler Instabilitäten in der ersten Version, war auch dieses System ein revolutionärer Schritt. Erstmals konnte man dank Multitasking etwa mehrere Programme gleichzeitig laufen (oder abstürzen, wie es leidgeprüfte Besitzer der A-Ausgabe formulieren) lassen. Und statt seine Programme mühevoll suchen zu müssen, bot der Startknopf einen übersichtlichen Weg, sie schnell zu starten.

Aber nicht mehr. Obwohl sich schon bei frühen Versionen des neuen Windows erster Unmut bezüglich dieser Änderung regte, hielt Microsoft daran fest, diesem "Relikt" den Garaus zu machen.

"Kein User hat danach verlangt"

Der radikale Umbau des gesamten Systems polarisiert. Viele begrüßen ihn, viele lehnen ihn ab. Positionen dazwischen scheinen selten zu sein. "Ich denke, kein User hat nach so etwas verlangt", meint etwa John Ludwig, ein ehemaliger Mitarbeiter von Microsofts Windows-Abteilung. "Sie wollen das bekannte Interface in einer verbesserten Version."

Auch wenn er den Änderungen kritisch gegenübersteht, ist ihm klar, dass Microsoft etwas tun musste, um im mobilen Bereich den Anschluss nicht zu verlieren. "Die Strategie, nichts zu tun, wäre zum Scheitern verurteilt gewesen."

Windows 8 hat einen Desktopmodus, aber keine Möglichkeit, permanent in diesem zu verbleiben. Es heißt also auch Abschied nehmen von Dingen wie der Startleiste zum Wechsel zwischen Anwendungen durch einen Klick auf deren Icon.

Bewusster Wandel

Eine der zahlreichen Veränderungen, die Microsoft sehr bewusst herbeigeführt hat. Der Plan, Windows umfassend umzubauen existiert seit 2009. Schon damals wurden Fokusgruppen Prototypen des heutigen Interfaces und seinen Live Tiles gezeigt. Und laut Jensen Harris, Manager der Abteilung für Program Management, waren die Reaktionen positiv. "Die Leute sagten 'Das ist großartig und Office ist auch dabei'", zitiert er das Feedback.

In ein ähnliches Horn stößt auch der Grafikpionier Andries van Dam von der Brown University. "Es ist funktional und aufgeräumt. Ich begrüße es." Auch jüngere User scheinen mit dem Wandel gut zurecht zu kommen. "Es fühlt sich sehr flüssig an. Definitiv eine Verbesserung zu Windows 7", meinte etwa die 23-jährige Joanna Lin, die in der Marketingabteilung einer Hotelkette arbeitet.

Apple zweifelt Erfolg an

Beim Konkurrenten Apple, der für klassische Rechner MacOS und für seine mobilen Geräte iOS anbietet, stößt die Vereinigung aus Touch- und Desktopsystem hingegen auf Unverständnis. "Man kann einen Toaster und einen Kühlschrank kombinieren, aber das Ergebnis wird den Nutzer wahrscheinlich nicht glücklich machen", kommentierte etwa Konzernchef Tim Cook Microsofts Strategie.

Gut fürs Tablet, schlecht für den Desktop

Bei der Nielsen Norman Group hat man Tests mit vier Nutzern durchgeführt, die Windows 8 auf einem normalen PC benutzen durften. Und laut Interface-Experte Jakob Nielsen hatten diese mit dem neuen Design zu kämpfen. Besonders das Hin und Her zwischen der neuen Oberfläche und dem alten Desktop machte ihnen zu schaffen.

Er sieht das Betriebssystem als durchaus Tablet-tauglich, aber dafür weniger geeignet für User, die auf einem normalen Rechner arbeiten und oft zwischen mehreren Anwendungen wechseln. "Ich denke im Bezug auf die traditionelle Userbasis, dass man viele Büroanwender vor den Kopf stößt", so Nielsen.

Ein Gefühl, das auch Keith McCarthy kennt. Die "New York Times" hat ihn bei seinen ersten Schritten mit Windows 8 begleitet. "Es vermittelte mir das Gefühl, ein totaler Computer-Amateur zu sein", so McCarthy, der erst nach einigen Minuten des Zurechtfindens auf dem neuen System soweit kam, eine E-Mail zu verschicken.

Microsoft zieht neuen Weg durch

An Microsoft prallt derlei Kritik schon seit der ersten Preview-Version allerdings ab. Man ist überzeugt, dass Windows 8 mit seinem Konzept punkten wird. Ein Tutorial soll den Umstieg auf die ungewohnten Kacheln und die neuen Bedienwege erleichtern.

Die Marketingkampagne für das Betriebssystem lässt sich der Redmonder Konzern über 500 Mio. Dollar kosten. Wie erfolgreich der neue Weg ist, wird sich ab 26. Oktober weisen. Die Vorzeichen sind nicht schlecht, das erste von Microsoft produzierte Tablet, das Surface RT, ist vorerst ausverkauft. (red, derStandard.at, 22.10.2012)