Wahrscheinlich werden sie vor allem darüber streiten, ob das Weiße Haus den Tod des US-Botschafters in Libyen hätten verhindern können und ob Mitt Romney die Tragödie in Bengasi für Wahlkampfzwecke missbraucht hat. Aber wenn sich Barack Obama und sein Herausforderer in der Nacht auf Dienstag in Florida zum letzten Mal vor der Wahl gegenüberstehen, dann besteht auch die Chance auf eine große grundsätzliche Debatte. Denn nirgendwo sind die beiden Kandidaten philosophisch so weit voneinander entfernt wie in der Außenpolitik.

Romney steht ganz in der Tradition des amerikanischen Exzeptionalismus, dem auch schon Ronald Reagan und George W. Bush anhingen: Die USA sind anders und besser als andere Nationen und müssen sich daher keinen internationalen Regeln unterwerfen. Auch im Interesse der Welt müssen sie ihre eigenen Interessen kompromisslos verfolgen - denn nur das flößt den Schurken aller Länder Schrecken ein. Vor allem aber dürften die USA nie an der Richtigkeit ihrer Werte und ihrer Politik zweifeln. No Apology (Keine Entschuldigung) lautet daher der programmatische Titel seines letzten Buches.

Romneys unbegrenzte Ambitionen und sein bombastischer Ton sind genau das Gegenteil von Obamas Außenpolitik. Es ist eine Politik der Zurückhaltung, bei der die USA Entwicklungen in Krisenherden lange zusehen und nur am Rande und im Hintergrund eingreifen. Für Kalte-Krieg-Nostalgiker und selbsternannte Abwehrkämpfer gegen den totalitären Islam kommt dies einer Kapitulationserklärung gleich. Aber in einer Welt, die sich nicht mehr so einfach in Gut und Böse teilen lässt, hat Obama eine recht sichere Hand bewiesen.

Die Beziehungen zu China und Russland sind intakt geblieben, ohne dass die USA ihre demokratischen Werte verraten hätten. Im so schwierigen Arabischen Frühling hat er sich rechtzeitig von Ägyptens Präsident Hosni Mubarak distanziert, in Libyen mit geringem Aufwand zum Sturz von Muammar al-Gaddafi beigetragen.

Dass Obama im syrischen Bürgerkrieg nicht eingreifen will, wird ihm von Linksliberalen als moralisches Versagen ausgelegt; angesichts der miserablen Aussichten einer Militäraktion und des Fehlens einer legitimen Oppositionsführung ist es aber wahrscheinlich der klügere Weg.

Im Atomstreit mit dem Iran ist Obamas Politik der Trippelschritte jedenfalls richtig: Er hat den Druck durch Sanktionen verschärft und die Tür zu einer Einigung offengehalten. Auch wenn die jüngste Meldung über Direktgespräche von beiden Seiten dementiert wurde, wären sie bei einer Wiederwahl Obamas vorstellbar.

Und vor allem hat Obama das unsinnige Gerede der Bush-Ära vom "Krieg gegen den Terror" eingestellt. Sein umstrittener Einsatz von Drohnen und die Tötung Osama bin Ladens haben es ihm dennoch ermöglicht, im In- und Ausland stark zu wirken.

Schwächen hat Obama dort gezeigt, wo er selbst große Worte schwang: Seine Ankündigungen zum Nahostkonflikt erwiesen sich als uneinlösbar, und seine Kairoer Rede von 2009 hat wenig gegen den Antiamerikanismus in der islamischen Welt genutzt. Aber sonst ist Obama mehr als die meisten Vorgänger dem klugen Diktum von Teddy Roosevelt gefolgt: "Sprich leise und trage einen großen Knüppel." Ob er diese Gratwanderung gegen einen polternden Romney verteidigen kann, wird man in der TV-Debatte sehen. (Eric Frey, DER STANDARD, 22.10.2012)