Am 23. Oktober gedenken die Ungarn des Ausbruchs der anti-sowjetischen Revolution 1956, die nach zwölf Tagen von Moskaus Panzern niedergewalzt wurde. Am morgigen Dienstag stehen allerdings nicht bloß die obligaten Großkundgebungen der polarisierten politischen Lager auf dem Programm. Auf der Demonstration der oppositionellen Facebook-Initiative Milla (Kurzform für "Eine Million für die Pressefreiheit") wird nämlich Expremier Gordon Bajnai sein politisches Comeback ankündigen.

Der parteilose Wirtschaftsfachmann war Minister in der gescheiterten Regierung des Sozialisten Ferenc Gyurcsány, um nach dessen Rücktritt Anfang 2009 für ein gutes Jahr die Ministerpräsidentschaft zu übernehmen. Als Krisenmanager führte er das Land mit rigorosen Maßnahmen aus der unmittelbaren Gefahrenzone des Staatsbankrotts. Bei den folgenden Wahlen errang Viktor Orbán mit seiner Fidesz-Partei die Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Die bisher zersplitterte demokratische Opposition hat nur dann eine Chance auf eine Abwahl Orbáns 2014, wenn sie möglichst geschlossen antritt. Bajnai, so hoffen viele Gegner des Orbán-Regimes, könnte vielleicht zu jener Integrationsfigur werden, die durch Glaubwürdigkeit und Sachkompetenz sowohl das oppositionelle Wählerspektrum als auch die Masse der Unentschlossenen und Politikverdrossenen anspricht. (Gregor Mayer aus Budapest /DER STANDARD, 22.10.2012)