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Oktober 2004: Traiskirchens Bürgermeister Fritz Knotzer protestierte mit 400 MitbürgerInnen in der Wiener Innenstadt für die "sofortige Aufteilung der Flüchtlinge auf ganz Österreich".

Foto: AP/RONALD ZAK

Dass in Traiskirchen wegen des dortigen, offiziell Erstaufnahmezentrum intitulierten, Flüchtlingslagers Unmut herrscht, ist nicht neu. Immerhin ist die rot regierte Stadtgemeinde seit über 50 Jahren ein Hotspot des österreichischen Asylwesens. Auf dem Foto zu diesem Blogeintrag ist etwa eine Szene aus dem Oktober 2004 zu sehen: Traiskirchens Bürgermeister Fritz Knotzer, wie er mit 400 MitbürgerInnen protestierend durch die Wiener Innenstadt zieht, die "sofortige Aufteilung der Flüchtlinge auf ganz Österreich" fordernd.

Das war vor Inkrafttreten der Bund-Länder-Grundversorgungsvereinbarung, die die Bundesländer verpflichtet, Asylwerber bei sich aufzunehmen. Damals standen Flüchtlinge, die weder im Lager noch in vom Bund gemieteten Flüchtlingspensionen unterkamen, auf der Straße. Dies ist derzeit nicht der Fall, die Vereinbarung gilt - obwohl es weiterhin obachlose Asylwerber gibt: Manche Bundesländerverantwortliche entziehen sie Betroffenen bei geringsten "disziplinären" Verstößen - oder nach Asylablehnungen, auch wenn gegen diese noch berufen werden kann: Die Flüchtlingshelferin Ute Bock weiß davon ein Lied zu singen.

Die Vereinbarung gilt, obwohl die Länder derzeit für rund 1500 Lagerinsassen, davon rund 550 unbegleitete Minderjährige, keine geeigneten Unterbringungseinrichtungen zur Verfügung stellen. Dabei sind die Herausforderungen heute weitaus geringer als vor acht Jahren: 2004 wurden 24.634 Asylanträge gestellt, also um rund 10.000 mehr als für ganz 2012 zu erwarten sind (bis inklusive August waren es heuer bisher 10.761 Anträge).

In dieser Situation setzen die Traiskirchener wieder auf Druck. Der Leiter des dortigen Bürgermeisteramts, Andreas Babler, wälzt nach einer feuerpolizeilichen Übung mit Rauchverbreitung in Haus 1 des Erstaufnahmezentrums Schließungspläne - genauso wie im Oktober vor acht Jahren. Er will die Übung - unangemeldet - wiederholen lassen. In einer Aussendung am Freitag schrieb er von "klarem Handlungsauftrag zum Schutz der dort aufhältigen Menschen und auch der Einsatzkräfte im Falle eines Einsatzes".

Brandgefahr trotz Renovierung?

Nun ist das als Reprise aus dem Jahr 2004 wenig verständlich: Jede/r, die/der besagtes Gebäude kennt, weiß, dass es seit 2006 in Etappen gründlich renoviert wurde. 2004, vor acht Jahren, hätte wohl niemand daran gezweifelt , dass sich in dem desolaten Haus Flammen nur allzu leicht hätten verbreiten können. Draußen bröckelte der Verputz von der Fassade, während im Erdgeschoss in hallenartigen Räumen Flüchtlinge in eng stehenden Stockbetten zusammengepfercht waren: "Überquellende Müllkübel auf den Gängen, beißender Gestank zu vieler Körper auf zu engem Raum in den Stockbettzimmern und draußen, im Freien, Gestalten, die im Halbdunkeln vorüberhuschen", schrieb ich damals nach einem Undercover-Besuch.

Aber heute? Nach der - übrigens gegen Traiskirchener Gemeindewiderstand - durchgeführten Sanierung hat sich die Bau- und Ausstattungssituation sehr zum Besseren geändert. In allen sanierten Häusern auf dem weitläufigen Areal werden auf den Gängen keine Behelfsunterkünfte mehr eingerichtet - auch im größten Stockbettraum aus 2004 in Haus 1 nicht, in dem jetzt Fitnessgeräte stehen. Zwar gebe es nach wie vor bessere Orte als ein ehemaliges Kasernenareal, um Menschen unterzubringen, die vielfach vor Armee- und Polizeigewalt geflohen sind. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Frage ist vielmehr: Weshalb jetzt der Druck samt Zusperrplan-Andeutungen aus dem Traiskirchener Bürgermeisteramt?

Vorm Asylgipfel

Er steht wohl mit dem Asylgipfel in Zusammenhang, der kommenden Dienstag die Regierung und Länder von Bundeskanzler Werner Faymann abwärts in Wien zusammenbringen wird. Die Traiskirchener Repräsentanten wollen, dass die Länder bei diesem Treffen zur Aufnahme möglichst vieler Flüchtlinge in Landesbetreuung gezwungen werden.

Nun mag das das von der Absicht her verständlich sein, denn die Art und Weise, wie sich die Bundesländer bei der Flüchtlingsbeherbergung aus der Affäre ziehen, ist seit Jahren ein Skandal. Aber was geschieht, wenn am Dienstag zwar Unterbringungszusagen kommen, aber diese dann - wie seit vielen Jahren - nur stotternd oder gar nicht eingelöst werden? Will die Gemeinde dann Ernst machen, etwa, indem sie aus feuer- und brandpolizeilichen Gründen eine Höchstbelegzahl bestimmt?

Wohin dann mit den AsylwerberInnen? Dass im Innenministerium schon vor zwei Wochen Zeltstadtpläne für Polizeischulareale in ganz Österreich gewälzt wurden, spricht für sich.

Und wieder: ein Sicherheitsthema

Und, abgesehen davon: Wie immer dieser neue Traiskirchener Flüchtlingsstreit ausgeht - wie schon so oft, wird in Zusammenhang mit AsylwerberInnen wieder von Gefahr gesprochen - und das ist politisch brandgefährlich. Es passt zu der Einschätzung von Flüchtlingen als Sicherheitsrisiko, als das sie in Österreich für eine Mehrheit gelten.

Dieses Ressentiment wurde lange von InnenministerInnen wie Ernst Strasser und Maria Fekter (ÖVP) gehätschelt und genährt: Fekters unsägliche Pressekonferenzen mit Erfolgsmeldungen, wenn es in einem Halbjahr wieder einmal etwas weniger Flüchtlinge nach Österreich geschafft hatten, sind noch nicht lange her. Die jetzige Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner hält sich diesbezüglich eher zurück - dafür haben jetzt die Traiskirchener Babler und "sein" Bürgermeister Knotzer das Risikogeschrei beim Thema Asylwerber entdeckt. (Irene Brickner, derStandard.at, 20.10.2012)