"Akademische Freiheit und effiziente Betriebsführung sind zwar miteinander vereinbar, aber akademische Freiheit und ein im eng verstandenen Sinn effizientes Betriebsergebnis sind es nicht", sagt Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Weigel.

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Von einer "Universitäts-AG" zu sprechen ist natürlich eine Allegorie, aber es ist zugleich eine Tatsache, dass bei der Universitätsreform, die sich im Universitätsgesetz 2002 niederschlägt, unternehmerische und damit betriebswirtschaftliche Konzepte Eingang gefunden haben.

Die Form der Kapitalgesellschaft dient unter anderem Zwecken der Organisation und Leitung. Es sollen die Rahmenbedingungen für die effiziente Produktion geschaffen werden. Aber es darf nicht übersehen werden, dass ein zentraler Zweck, der sie von allen anderen Unternehmensformen unterscheidet, die Beschaffung von Kapital ist, das von den AktionärInnen kommt. Und da endet dann auch schon die Allegorie. Denn die Universitäten haben heute einen Aufsichtsrat und ein Management mit einem CEO (dem vormaligen Rektor).

Sie sind auf Top-Down-Entscheidungen hin strukturiert. Gewiss, sie haben zwar auch einen Senat, der fälschlicherweise immer wieder als Organ hingestellt wird, in dem alle Universitätsangehörigen angemessen vertreten sind. Man muss sich aber nur einmal das Verhältnis ansehen, in dem die diversen Gruppen von Universitätsangehörigen dort vertreten sind, und dem die tatsächlichen Anteile dieser Gruppen an den Beschäftigten gegenüberstellen, um zu sehen, dass der Senat niemals ernsthaft als repräsentativ angesehen werden kann.

Und: Den Universitäten fehlt die Hauptversammlung der Anteilseigner, denn sie sind verselbstständigte Anstalten des öffentlichen Rechts, also Zwitterwesen, deren Eigentümer nach wie vor die Republik Österreich ist und deren "Hauptversammlung" eben nicht existiert. An ihre Stelle treten Bürokraten und Minister, die die Fäden ziehen könnten und dies nach Meinung vieler auch tun - universitäre Autonomie hin oder her, es gilt: "Wer zahlt, schafft an!"

Zugegeben, man hat den Universitäten Spielraum bei der Beschaffung von Drittmitteln eingeräumt - nein, falsch: Man hat sie in diesen Grad der Freiheit hineingeschubst. Aber es verbietet sich von selbst, den Gedanken der AG weiterzuspinnen und zu meinen, jene, die Geld zur Verfügung stellen, würden dadurch ein Mitspracherecht erwirken. Das wäre fatal, denn was und wie geforscht und gelehrt wird, muss der akademischen Freiheit unterliegen dürfen (die durch die Verfassung geschützt wird). 

Akademische Freiheit und effiziente Betriebsführung sind zwar miteinander vereinbar, aber akademische Freiheit und ein im eng verstandenen Sinn effizientes Betriebsergebnis sind es nicht! Das effiziente Betriebsergebnis im Sinne eines maximalen Ergebnisses bei gegebenen Mitteln (Personen und Sachausstattung) ebenso wie die Erbringung eines vorherbestimmten Ergebnisses mit minimalem Mitteleinsatz widersprechen dem, was man den Produktionsprozess in einer Universität nennen könnte, zutiefst.

Nicht, dass solche eng gesehene Effizienz keinen Platz hätte, aber maßgeblich für die Leistungen einer Universität ist deren gesellschaftliche Effizienz - und die ist subtil und facettenreich!

Die gewissermaßen erfolgte "Verbetriebswirtschaftlichung" - man verzeihe das Wortungetüm - kann der Universität nicht gerecht werden.

In Wahrheit sind Universitäten kleine Teilwelten, die jeweils ihren speziellen Ordnungsrahmen brauchen, der Anreize und Arbeitsbedingungen schafft, in denen sich Kreativität und Engagement bestmöglich entfalten können.

Die Tatsache, dass Universitäten jetzt als Betriebe gelten, hat aber auch noch eine Reihe anderer Konsequenzen, die jedoch letztlich in die eben angesprochenen grundsätzlichen Probleme der inneren Struktur der Universität zurückwirken:

Als Betriebe sind Universitäten der Anwendung einschlägiger Rechtsvorschriften unterworfen: Langsam gewöhnen sich die handelnden Personen in den Universitäten daran, dass nicht mehr Beamtendienstrecht und Vertragsbedienstetengesetz gelten, wie zu den Zeiten, als Universitäten nachgeordnete Verwaltungseinheiten waren. Es gilt vielmehr das Arbeitsverfassungsgesetz mit seinen arbeitsrechtlichen Regelungen, seinen Regelungen für die Betriebsräte, ferner das Arbeitnehmerschutzgesetz und viele mehr, die für die frühere Verwaltungseinheit so unbekannt waren.

Die Beschäftigungsverhältnisse, die Arbeitsverträge und die Gehaltsregelungen haben sich fundamental geändert. Das Problem dabei ist, dass die einschlägigen Gesetze, welche für die Privatwirtschaft, insofern eine "Voreingenommenheit" enthalten, als sie ja nie dafür gedacht waren, der Natur einer Universität zu entsprechen; es sei denn, man setzt Universitäten mit Fertigungs- oder Dienstleistungsbetrieben gleich.

Aber die These ist ja schon angeklungen und sei hier noch einmal in den Raum gestellt: Universitäten sind als Stätten, an denen geforscht und gelehrt wird (und nicht nur das), mit herkömmlichen Betrieben nicht zu vergleichen. Man darf nicht vergessen oder verdrängen, dass gelegentlich von der Universität als einer "Gelehrtenrepublik" gesprochen wird. Tempi passati, Schnee von gestern?

Nun, namentlich die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen der Universität haben in aller Regel keinen "Job", dem sie manchmal mit mehr und manchmal auch mit weniger Frust Tag für Tag nachgehen. Sie sind vielmehr in aller Regel Suchende, Strebende, durchlaufen Triumphe der Einsicht und Momente der Verzweiflung über versperrte Wege zur Einsicht. Es gibt bis zu einem gewissen Grad eine Hierarchie der Bewährung. Aber es gibt keine Werkbänke, Montagebänder, Sortierstellen, was auch immer, an denen mehr oder weniger fest gefügte Prozesse ablaufen. Das dürfte auch in den Hörsälen nie der Fall sein - wobei ja Kritik an der Art der Wahrnehmung der Aufgaben durchaus erlaubt ist. Das ändert aber nichts daran, das die Natur der Aufgaben nicht jener des herkömmlichen Fertigungs- und Dienstleistungsbetriebs entspricht.

Was jetzt gilt, diese vage Orientierung an der Kapitalgesellschaft, am Betrieb, der am Markt im Wettbewerb steht, wird den Universitäten nicht gerecht.

Die systematisch zurückgestutzten, früher üblichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte mögen tatsächlich die Entscheidungsstrukturen schwerfälliger gemacht haben. Effizienz im produktionswirtschaftlichen Sinn kannten sie nicht. Die (gesellschaftlichen) Kosten der egalitären und patizipativen Gelehrtenrepublik sind aber nur eine Seite der Medaille. Es gibt nämlich das Phänomen der beharrlichen Weigerung, die Nutzen solcher Gelehrtenrepubliken wahrzunehmen: dass sich alle ihnen ungeteilt zugehörig fühlen und sich für sie einsetzen.

Die Nagelprobe für die Überlegenheit eines solchen mehr egalitären und partizipativen Organisations- und Leitungsmodells auch für die Universität des 21. Jahrhunderts fehlt noch immer. Dazu gehört Phantasie, dazu gehört Mut, dazu gehört ein Gestaltungswille, der dem Wesen der Universität wirklich entspricht! (Wolfgang Weigel, derStandard.at, 23.10.2012)