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Die europäische Bankenaufsicht wird 2013 kommen.

Foto: Reuters/Lenoir

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Grafik: APA

Brüssel - Der EU-Gipfel hat einen Durchbruch im Streit um den Aufbau der europäischen Bankenaufsicht gebracht. Bis Jahresende soll es eine Einigung auf einen politischen Rahmen geben, damit die neue Aufsicht im Jahr 2013 schrittweise ihre Arbeit aufnehmen kann, teilte ein Kommissionssprecher mit. Zu Gipfelbeginn waren Deutschland und Frankreich bei der Bankenaufsicht noch weit auseinandergelegen.

Unterschiedliche Vorstellungen

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Gipfel gesagt, dass die Arbeit an der neuen Aufsicht für die Banken der Eurozone zwar schnell, aber "natürlich auch sehr gründlich" gemacht werden müsse. Rückendeckung erhielt sie von anderen Nordländern wie Finnland und Schweden. Die Bankenaufsicht soll verhindern, dass durch laxe nationale Kontrolle mitverursachte Probleme von bestimmten Instituten den gesamten europäischen Finanzsektor ins Wanken bringen.

Frankreichs Staatschef François Hollande hingegen unterstützte den Vorschlag der EU-Kommission, nach dem die neue Aufsicht unter Beteiligung der Europäischen Zentralbank (EZB) ihre Arbeit schon am 1. Jänner 2013 aufnehmen soll. Darauf hofften auch Südländer wie Spanien. Denn die neue Aufsicht ist eine Voraussetzung dafür, dass der Euro-Rettungsfonds ESM direkt Finanzhilfe an angeschlagene Banken zahlen kann, anstatt wie bisher wie im Fall Spaniens zunächst an den Staat.

Gesetzlicher Rahmen bis Jahresende

Der Gipfel brachte nun einen Kompromiss, nachdem sich Merkel und Hollande kurz vor Beginn noch zu einem Gespräch getroffen hatten: Bis Jahresende soll eine Einigung auf den gesetzlichen Rahmen stehen. Ihre Arbeit nehmen die mächtigen Kontrolleure dann im Lauf des Jahres 2013 schrittweise auf. Für einen Start zum Jahresbeginn seien "zu viele komplizierte Fragen zu lösen", sagte ein deutscher Diplomat.

Das betrifft etwa rechtliche Probleme wie die Stellung der Nicht-Euro-Länder und die Überwachung von Banken mit Filialen in- und außerhalb der Eurozone sowie die Regeln für direkte Hilfszahlungen an marode Finanzinstitute. Ein offener Punkt ist auch, ob die direkte Bankenhilfe nachträglich auf Spanien angewandt werden kann. Dass diese Fragen nun nicht schon bis zum Jahresende gelöst sein sollen, ist ein Erfolg für Merkel.

Nach Angaben eines französischen Diplomaten kann sich die neue Aufsicht unter Beteiligung der EZB ab Anfang 2014 über alle 6.000 Institute der Eurozone erstrecken: "Die EZB wird die tagtägliche Aufsicht einiger Banken an nationale Aufsichtsbehörden abgeben, aber sie wird jederzeit die Möglichkeit zum Eingreifen haben, wenn sie es für notwendig hält." Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte immer wieder gefordert, dass nur die für das gesamte Finanzsystem wichtigen Banken direkt auf europäischer Ebene überwacht werden.

Juncker: Kein Boxkampf

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker bezeichnete die Frage, ob sich Deutschland oder Frankreich im Streit um die gemeinsame Bankenaufsicht durchgesetzt hat, als absurd. "Das ist keine lächerliche, aber eine typische Frage", sagte er am Rande des Gipfels. "Ich habe mir heute Morgen die deutschen Fernsehnachrichten angeschaut, die französischen, die britischen und einige andere. Alle haben wieder gewonnen. Wir machen uns nur noch lächerlich."

"Die Presseberichterstattung ist grotesk", sagte Juncker, der auch Chef der Eurogruppe ist. "Hier findet doch kein Boxkampf statt zwischen Deutschland und Frankreich. Das war eine seriöse Diskussion von 27 Mitgliedstaaten." Es habe bei der bis 3 Uhr morgens dauernden Sitzung 120 Wortmeldungen gegeben - "und nicht nur von Frankreich und Deutschland". Wichtig sei, dass die Bankenunion nun möglich sei. "Es bleibt dabei, dass Details festgelegt werden müssen, bevor es eine direkte Bankenrekapitalisierung geben kann."

Faymann zufrieden

Zufrieden mit dem Beschluss zeigte sich auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). "Die Bankenaufsicht zu installieren ist eine Form der Regulierung, die dringend notwendig ist", sagte er. Es brauche weltweit Regulierungen gegen die Spekulation. Der Aufbau einer Bankenaufsicht dauere eine gewisse Zeit und sollte "so bald wie möglich" erfolgen.

"Die rechtlichen Voraussetzungen sollen bis Ende des Jahres fertig sein. Wenn man in Summe daran denkt, 6.000 Banken zu prüfen - nicht alle zentral, es wird auch die Finanzmarktaufsicht der Länder eingesetzt - wird ja niemand glauben, dass das im Februar fertig ist", sagte Faymann. Beim EU-Gipfel habe es eine gemeinsame Lösung gegeben. Von einem Nachgeben Deutschlands oder Frankreichs könne keine Rede sein.

Faymann ließ offen, in welchem Ausmaß sich Österreich und andere Länder künftig verpflichten könnten, individuelle Verträge mit der EU-Kommission zur Umsetzung bestimmter Strukturreformen abzuschließen. Ziel sei mehr Wettbewerbsfähigkeit der Staaten, sagte der Kanzler. "Wir werden alles abschließen, was wir für richtig halten." Österreich habe ein geringes Defizit und eine niedrige Arbeitslosigkeit.

Treffen mit Samaras

Am Rande des Gipfels hat Angela Merkel mit dem griechischen Ministerpräsidenten Antonis Samaras über den Reformprozess in dessen Heimat gesprochen. Nach Angaben deutscher Diplomaten standen dabei die Konsolidierungsbemühungen der Regierung in Athen im Vordergrund. Einzelheiten wurden nicht genannt. In der Nacht hatte Merkel Griechenland zur Umsetzung der Sparauflagen im Kampf gegen die Schuldenkrise aufgerufen. Damit werde der Verbleib des Landes in der Eurozone sichergestellt.

Auch in ihrer Gipfelerklärung werden die 27 Staats- und Regierungschefs wahrscheinlich auf die Lage Griechenlands eingehen. Das teilten EU-Diplomaten mit. Die Formulierung werde aber ähnlich ausfallen wie die knappe Erklärung der Troika vom Vortag, sagte ein Diplomat. Die internationalen Geldgeber EU, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds hatten darin lediglich von "umfassenden und produktiven Diskussionen" mit den griechischen Behörden gesprochen. (APA, 19.10.2012)