Das historische Wahlergebnis für Werner Faymann beim Parteitag in St. Pölten hatte eine Fülle von mehr oder weniger überzeugenden Erklärungsversuchen zur Folge. Die Frage indes, was spätestens bis zum Beginn der heißen Wahlkampfphase zur Behebung oder wenigstens Minderung des Schadens zu tun wäre, wurde erst gar nicht gestellt. Vieles spricht daher dafür, dass diejenigen, die das Votum betraf - und das ist nicht allein der Parteiobmann, das sind auch die Systemerhalter seiner Umgebung - nach einigen reuigen Seufzern zu dem Motto zurückfinden, das sie schon bisher zusammen- und Kritiker auf Abstand gehalten hat: Nicht einmal ignorieren!

Gute alte Kommunikation

Darauf weisen schon die ersten Reaktionen hin, nach denen halt wieder einmal die gute alte Kommunikation nicht funktioniert hätte. Wir hätten dieses und jenes besser kommunizieren müssen, täuscht man Einkehr vor - um damit Zweifel an der Richtigkeit der Politik selbst von vornherein unzulässig erscheinen zu lassen. Abgesehen von dem Rätsel, wieso ausgerechnet 16,6 Prozent der Delegierten die Weisheit der Parteiführung verborgen blieb, während sich 83,4 Prozent dafür mühelos zu öffnen vermochten, wirft die Art, wie sie seit längerem in Erscheinung tritt, ein prinzipielles Problem auf: Kommunikation auf der Basis innerparteilicher Demokratie kann gar nicht funktionieren, wenn jahrzehntelang gehaltene Positionen, wie etwa das Bekenntnis zur Wehrpflicht, über Nacht und per Dekret von oben in ihr Gegenteil verkehrt werden, und eine als Obrigkeit agierende Führung nur noch gehorsame Gefolgschaft einfordert - zur höheren Ehre des Boulevards und damit doppelt auf Kosten ihrer Glaubwürdigkeit.

Kommunikation wird kaum funktionieren, wenn Vertrauen in Personen verlangt wird, die lieber umstandslos ihre Überzeugungen wechseln, als ihnen zuliebe auf ein Amt zu verzichten. Sie wird auf Dauer nicht funktionieren, wenn man Zustimmung, statt innerhalb einer Partei mit Argumenten zu erwerben, in dubiosen Medien erkauft.

Glaubwürdigkeit ist eine Grundvoraussetzung. Man kann sagen, ich stelle mich einem Untersuchungsausschuss oder - weniger gut - ich stelle mich nicht. Gar nicht geht, erst zu sagen, ich komme, wenn eingeladen, dann eine Einladung zu hintertreiben, um hinterher auf Unzumutbarkeit zu plädieren: Man lasse sich doch nicht vorführen. Auch die geduldigste Partei will gelegentlich wissen, was sie von ihrem Obmann und Spitzenkandidaten zu halten hat, und ob er zu dem, was er sagt, auch steht.

Es ist nicht schlechte Kommunikation, die Faymann dieses Wahlergebnis beschert hat, es ist ein System, das Kommunikation, die diesen Namen verdient, zu unterbinden sucht, wo es nur geht, um obrigkeitlichem Opportunismus ein möglichst störungsfreies Betätigungsfeld zu erhalten. Daran wird sich so bald nichts ändern. Sonst stört das bei einem Parteitag nur die lästige Jugend - so lange ein Obmann seiner Partei glänzende Siegesaussichten eröffnet. Wo sich solche nicht unmittelbar abzeichnen und die SPÖ sogar fürchten muss, eine Volksbefragung zu verlieren, die sie selbst vom Zaun gebrochen hat, wird das Publikum empfindlicher. Aber egal. (Günter Traxler, DER STANDARD, 19.10.2012)