Die Installation von Ubuntu 12.10 kann mit einem neu gestalteten Dialog zu Festplattenpartitionierung aufwarten. Damit ist erstmals auch die Verschlüsselung des gesamten Systems im grafischen Installer möglich.

Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Der Login-Screen bietet nun direkte Unterstützung für den Fernzugriff auf andere Rechner.

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Der Desktop von Ubuntu 12.10. Der grundsätzliche Aufbau bleibt wie von früheren Versionen wie gewohnt, optisch auffälligste Änderung ist insofern das neue Wallpaper, das im Stil aber der bisherigen Tradition treu bleibt.

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Mit dem Rechtsklick auf Icons im Unity Dash kann jetzt eine Vorschauansicht aufgerufen werden, die zusätzliche Informationen bietet und diverse Funktionalitäten zur Verfügung stellt. Bei Anwendungen ist das etwa die Installation oder De-Installation derselben.

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Ubuntu 12.10 integriert nun Online-Quellen in die Suchfunktion des Desktops. Eine durchaus kontroverse Entscheidung, die schon im Vorfeld für einige Diskussionen gesorgt hat, vor allem aufgrund der von Haus aus aktivierten Amazon-Anbindung.

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Ergebnisse von Amazon gibt es in Österreich allerdings ohnehin nicht, in anderen Ländern (etwa den USA) werden vor allem Inhalte und Amazon-Geräte "gefunden".

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Wer das nicht will, kann die Online-Funktionen von Unity zentral in den Einstellungen deaktivieren - oder die "Shopping Lens" gleich ganz deinstallieren.

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Und noch einmal Amazon: Auch im Launcher befindet sich nun von Haus ein Eintrag für den Online-Händler. Dabei handelt es sich um eine vorinstallierte "Web App", die den Desktop mit Online-Services verzahnt.

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Einige Seiten bieten beim ersten Besuch eine solche Verbindung mit dem Desktop an, darunter Last.FM...

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...oder auch Gmail.

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Auch eine "Social Lens" ist hinzugekommen, mit der die Nachrichten auf Twitter, Facebook und identi.ca durchsucht werden können.

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In den Ubuntu Online Accounts lässt sich die Anbindung an diverse Web-Services abwickeln, dabei bietet das Tool deutlich mehr Möglichkeiten als die zuvor genutzten GNOME Online Accounts.

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LibreOffice unterstützt jetzt endlich auch von Haus aus das globale Menü von Unity.

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Die Konfiguration proprietärer Treiber ist nun in die "Softwarequellen" gewandert. Die bislang dafür zuständige Anwendung wurde hingegen entfernt.

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"System" und "Me"-Menü wurden für die neue Version in einem "Session"-Menü zusammengelegt.

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Die Softwareaktualisierung gibt sich von Haus aus nun schlichter als bisher.

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So mancher kleine Bug ist in der aktuellen Version von Ubuntu 12.10 unübersehbar, sei es optischer Natur, in Hinblick auf die Performance oder auch Konzepte, die einfach noch nicht ganz zu Ende gedacht sind.

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Alternativ zum Default-Ubuntu gibt es auch diverse Varianten mit anderen Desktops - von KDE über Xfce bis zu LXDE. Neu hinzugekommen ist dabei ein Ubuntu GNOME Remix, der Unity mit der GNOME Shell ersetzt, und auch sonst versucht möglichst nah am Upstream-GNOME zu bleiben.

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Distributionen gibt es viele, in der (zumindest etwas) weiteren Öffentlichkeit ist es aber vor allem ein Name, der mit dem Linux-Desktop verbunden wird: Ubuntu. Die vom südafrikanischen Milliardär Mark Shuttleworth gegründete Distribution schafft es regelmäßig auch in nicht Linux-spezifischen Medien diskutiert zu werden, etwas das anderen Linux-basierten Desktop-Systemen nur selten gelingt.

"Quantal Quetzal"

Insofern ist das Interesse an einer neuen Ubuntu-Release immer besonders groß. Die Kadenz hat man dabei seit Anbeginn gleich gehalten, mit schöner Regelmäßigkeit gibt es alle sechs Monate eine neue Ausgabe der Distribution. Vor kurzem wurde Ubuntu 12.10 mit dem gewohnt verspielten Codenamen "Quantal Quetzal" zum Download freigegeben, in Folge soll die neue Ausgabe der Distribution einer etwas genaueren Betrachtung unterzogen werden.

Umbauten

War der vorangehende Entwicklungszyklus vor allem von der Stabilisierung des Desktops gekennzeichnet, darf es bei Ubuntu 12.10 nun wieder etwas experimenteller zugehen, dabei schreckt man auch vor größeren Umbauten nicht zurück. Dies zeigt sich schon bei der Auswahl der Installationsmedien: Statt der gewohnten Vielfalt gibt es jetzt nur mehr ein einziges Live-Medium, das mit einer Größe von rund 800 MByte allerdings zu groß ist, um noch auf eine CD zu passen. Statt dessen kann es entweder auf DVD gebrannt werden oder per USB-Stick genutzt werden. Die "Alternate CD" mit Textinstaller wurde hingegen ebenso zur Gänze gestrichen wie ein separates DVD-Image. Lediglich für Server-Installationen pflegt man weiterhin ein eigenes Image, das nebenbei bemerkt auch weiterhin auf eine CD passt.

Installation

Diese Änderungen haben denn auch indirekt ihren Einfluss auf den Installer von Ubuntu: Hier wurde nämlich der Bereich zur Festplatteneinrichtung vollkommen neu gestaltet, um bisher der Alternate-Variante vorbehaltene Möglichkeiten zu übernehmen. Dies bedeutet vor allem, dass nun endlich auch mithilfe des grafischen Installers vollständig verschlüsselte und / oder LVM-basierte Systeme eingerichtet werden können. Was hingegen noch fehlt ist die Konfiguration eines Software-RAIDs: Wer solch ein Setup benötigt, für den fällt die aktuelle Ausgabe der Distribution flach, erst mit Ubuntu 13.04 soll dies dann auch im grafischen Installer möglich sein.

Upgrade

Wie gewohnt gibt es alternativ zur Neuinstallation die Möglichkeit bestehende Systeme auf die aktuelle Version zu aktualisieren. Ein solches Upgrade wird üblicherweise über die Softwareaktualisierung von Ubuntu selbst dargeboten. Im konkreten Zyklus werden diese aber wohl viele NutzerInnen nicht sehen, ganz konkret jene, die das System mit Ubuntu 12.04 frisch installiert haben. Da dies eine "Long Term Support"-Release war, werden von Haus aus nur Upgrades auf weitere LTS-Versionen angeboten, die nächste in dieser Reihe wäre dann also Ubuntu 14.04. Wer statt dessen alle sechs Monate ein Upgrade haben will, kann dies in den "Softwarequellen" auswählen, einfach im Punkt "Updates" die Benachrichtigung über alle Ubuntu-Releases aktivieren.

Alles online

Im Test klappte das Upgrade tadellos, auch wenn einmal angemerkt werden soll, dass zumindest alle paar Releases eine frische Installation vorgenommen werden sollte. Gerade bei länger genutzten und stark angepassten Systemen sammelt sich sonst viel Müll an, der zu allerlei Problemen und vor allem einer merklich reduzierten Performance führen kann. Mit Ubuntu 12.10 gibt es zudem eine nicht ganz unwichtige Änderung in Bezug auf die Upgrades: Diese können nun ausschließlich direkt über das Netz vorgenommen werden, da es ja die bisher für Offline-Upgrades genutzt Alternate-CD nicht mehr gibt.

Boot

Aufräumen ist auch beim Boot-Loader Grub angesagt: Ältere Einträge werden nun hinter einem Eintrag "Advanced Options" versteckt, was der Übersichtlichkeit durchaus zuträglich ist. Zudem erspart man sich von Haus aus die Angabe von Kernel-Nummern beim Boot-Eintrag, es heißt nun also nur mehr schlicht "Ubuntu".

Remote

Beim Login-Screen fällt neben kleinerem Feinschliff vor allem der Punkt "Remote Desktop" auf. Damit kann von hier aus direkt auf entfernte Desktops zugegriffen werden. Wer die Funktionalität nutzen will, kann einzelne System beim "Universal Client Configuration Service" eintragen, der mit Canonicals Online-Plattform Ubuntu One verschränkt ist. Dieser Konfigurationsschritt kann direkt über den Login-Screen vorgenommen werden, derzeit ist das Ganze aber ohnehin noch als experimentell anzusehen. Auf Sicht könnte die Remote-Desktop-Anbindung vor allem für Unternehmen durchaus von Interesse sein

Unity!

Nach dem Login präsentiert sich der bereits gewohnte, Ubuntu-spezifische Unity-Desktop - und doch ist dieses Mal alles etwas anders, und zwar vor allem "unter der Haube". Das bislang für Installationen, bei denen keine 3D-Grafikbeschleunigung zur Verfügung steht, genutzte Unity2D wurde komplett gestrichen. Statt dessen kommt in solch einem Umfeld - also vor allem für ältere Maschinen, aber auch in virtuellen Maschinen ohne spezielle Treiber - nun die LLVMpipe der Grafikbibliothek Mesa zum Einsatz, um per Software Rendering die nötige Funktionalität zu ermöglichen.

Vor- und Nachteile

Damit folgt man dem Vorbild von Fedora, das diesen Weg schon vor einigen Monaten für den eigenen Desktop gewählt hat. Der zentrale Vorteil dieses Ansatzes: Es muss nur mehr eine gemeinsame Codebasis für Unity gepflegt werden, was nicht nur der Entwicklungsgeschwindigkeit sondern auch der Codequalität zuträglich ist. Nicht verschwiegen sei allerdings auch, dass die LLVMpipe-Lösung in Hinblick auf die Performance nicht mit Unity2D mithalten kann, gerade bei älteren Systemen kann sich also mit Ubuntu 12.10 schon mal ein durchaus signifikanter Performance-Verlust zeigen.

Preview

Doch Unity bekommt mit "Quantal Quetzal" auch diverse neue Funktionen spendiert: So gibt es im Dash nun eine eigene Vorschaufunktion. Diese wird über den Rechtsklick auf die einzelnen Icons aufgerufen, je nach Dateityp wird dann unterschiedliches dargeboten. Bei Musik lässt sich etwa gleich das zugehörige Album abspielen, auch Videos lassen sich auf diesem Weg wiedergeben. Dies funktioniert sogar mit Online-Quellen, so können etwa Songs aus dem Ubuntu One Store angespielt werden. Bei Anwendungen werden in der Preview-Ansicht weitere Details dargestellt, wer will kann diese dann auch gleich direkt von hier aus installieren - also ohne den Umweg über das Ubuntu Software Center beschreiten zu müssen.

Zentrale für irgendwie eh alles

Überhaupt ist unübersehbar, dass Canonical Unity immer mehr zum zentralen Interface für praktisch alle Aufgaben des digitalen Alltags ausbauen will. In Ubuntu 12.10 zeigt sich dies nicht zuletzt durch die Integration von Online-Quellen unterschiedlichster Art. So gibt es nun etwa eine neue Foto-"Lens", die nicht nur lokale Bilder aufspürt, sondern auch die eigenen Fotos von Facebook und Flickr durchstöbert. Ebenfalls neu ist eine "Social Lens", mit der die eigenen Mitteilungen auf Twitter, identi.ca und Facebook durchforstet werden können. Nützlich ist dies vor allem, um ältere Nachrichten aufzuspüren, wer will kann über die oben erwähnte Preview-Funktion auch gleich einzelne Beiträge "retweeten" oder "liken".

Online Accounts

All dies kann über die neuen "Ubuntu Online Accounts"-Tool in den Systemeinstellungen konfiguriert werden. Diese ersetzen die bisher genutzten "GNOME Online Accounts" und zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie wesentlich mehr Online-Services unterstützen - von Google über Facebook bis zu identi.ca, Jabber oder Yahoo. Besonders nützlich dabei ist, dass angezeigt werden kann, welche Services von welchen Anwendungen dann auch tatsächlich genutzt werden. Weniger erfreulich ist hingegen, dass die Google-Integration der Ubuntu Online Accounts unvollständig ist, etwa die Anbindung an die GNOME Contacts fehlt - womit diese deutlich weniger nützlich werden.

Die Amazon-Kontroverse

Mit dem neuen Online-Fokus hat Canonical im Vorfeld der Veröffentlichung von Ubuntu 12.10 aber auch gleich eine handfeste Kontroverse ausgelöst: Hat man sich doch quasi in letzter Minute dazu entschieden, auch eine "Shopping Lens" in den Default-Install wandern zu lassen. Diese sucht bei jeglicher Sucheingabe im Unity Dash nach passenden Ergebnissen beim Online-Händler Amazon sowie im Ubuntu Music Store.

Vorwurf

Dies hatte Canonical schnell den Vorwurf der Aufnahme von Werbung in den Desktop eingebracht - dies auf Kosten der Privatsphäre der NutzerInnen, werden doch alle Tastureingaben im Unity Dash nun unweigerlich ins Internet verschickt. Und auch wenn der Softwarehersteller natürlich gern einen anderen Blickpunkt angelegt hätte - immerhin sieht man dies nur als ersten Schritt für die Einbindung weiterer Online-Services - ist dies auch nicht vollständig von der Hand zu weisen. Immerhin hofft Canonical damit eine neue Einnahmequelle zu etablieren (das Unternehmen verdient an jedem über diesen Weg getätigten Einkauf mit, Anm.), mit der man die weiter Entwicklung finanzieren kann. Bisher ist man in dieser Hinsicht praktisch zur Gänze von den privaten Finanzreserven Mark Shuttleworths abhängig.

Umsetzung

Zumindest hat sich Canonical aber die Kritik an der konkreten technischen Umsetzung zu Herzen genommen, und für die fertige Version der Amazon-Einbindung einige Verbesserungen im Vergleich zu den Beta-Versionen vorgenommen. So erfolgt nun gesamte der für die Amazon-Einbindung nötige Datenverkehr verschlüsselt. Zudem verspricht das Unternehmen, dass keine Daten direkt an Amazon geschickt werden, sondern alles über den Umweg der Ubuntu-Server abgewickelt wird. Vor allem aber: Die Amazon-Einbindung kann nun über einen Punkt in den Privatsphäreneinstellungen vollständig deaktiviert werden. Angemerkt sei freilich, dass mit diesem Schritt jegliche Online-Service-Einbindung von Unity deaktiviert wird. Wer dies nicht will, kann alternativ auch gezielt nur die "Shopping Lens" deinstallieren ("sudo apt-get remove unity-lens-shopping").

Ausnahmen

Im Test zeigte sich allerdings, dass NutzerInnen mit einer österreichischen IP-Adresse derzeit vom Unity Dash ohnehin keinerlei Amazon-Ergebnisse geliefert bekommen. Erst nach einem Wechsel auf einen US-VPN wurden im Probelauf auch Angebote von Amazon dargestellt. Diese konzentrieren sich derzeit auf Inhalte in unterschiedlichsten Formen, also Musik, Videos und Bücher sowie von Amazon dazu angebotene Geräte wie diverse Kindle-Modelle.

Web Apps

Ein weiterer Neuzugang in Ubuntu 12.10 ist die Unterstützung von Web Apps, die eine tiefe Integration mit dem Desktop ermöglichen sollen. Was damit möglich ist zeigt sich etwa beim ersten Besuch von GMail: Der Firefox bietet in diesem Fall die Installation zusätzlicher Pakete für die Integration mit dem lokalen Desktop an. In Folge taucht ein eigener Gmail-Eintrag im Launcher-Bereich von Unity auf, über den unter anderem direkt die Erstellung einer neuen Nachricht initiiert werden kann. Zudem wird die Anzahl der ungelesen Nachrichten dargestellt. Auch werden Web Apps im Alt-Tab-Task-Switcher separat ausgewiesen, was den schnellen Wechsel erleichtert.

Einschränkungen

Ähnliche Web Apps gibt es bereits für eine Reihe von Services, darunter etwa Last.FM, das auf Wunsch dann über das Sound-Menü des Desktops gesteuert werden kann. Und doch wirkt all dies derzeit noch etwa unfertig. So werden die zusätzlichen Steuerelemente erst aufgerufen, wenn die zugehörige Online-Anwendung bereits in einem Browser-Fenster geöffnet ist. Wer also etwa auf diesem Weg schnell mal eine Mail per Gmail verfassen will, muss dieses zuerst aufrufen, und kann dann erst über das Kontextmenü eine neue Nachricht erstellen - da ist der direkte Weg über den Browser gleich schneller.

Amazon, die zweite.

Von Haus aus sind übrigens zwei Web Apps bereits im Launcher-Bereich fix untergebracht: Eine für den Ubuntu One Music Store und - welch Überraschung - für Amazon. Wer das nicht will, kann diese Einträge natürlich schnell entfernen. Eine unerfreuliche Nebenwirkung dieses Schritts ist übrigens, dass es zunehmend eng im Unity-Launcher wird. Die Default-Einrichtung geht sich nicht länger vollständig auf der Höhe von 768 Pixel aus - die bei vielen Laptops aber weiterhin eine begrenzende Realität in Sachen Bildschirmauflösung darstellen.

Misc

Zu den vermischten Neuerungen des Unity-Desktops gehört die Möglichkeit Dateisystem-Icons (etwa für externe Medien) per Drag & Drop aus dem Dash fix in den Launcher zu verfrachten. Es gibt eine neue Animation für die Minimierung von Fenstern, zudem wurden das System- und das "Me"-Menü in ein neues "Session"-Menü kombiniert. Den bisher dort befindlichen Eintrag zur Softwareaktualisierung hat man gestrichen, diese muss jetzt also wie früher schon wieder direkt in der Liste der Anwendungen aufgespürt werden. Apropos "Softwareaktualisierung": Die Oberfläche der Anwendung wurde neu gestaltet, zeigt von Haus aus nur mehr einen Überblick über die anstehenden Änderungen an, wer will kann sich aber weiterhin über alle Details informieren lassen.

GNOME

Als Basis für Ubuntu 12.10 dient einmal mehr der GNOME-Desktop, der hier in einer Mischung aus der Version 3.4 und 3.6 zum Einsatz kommt. Bei einigen Komponenten hat man also auf die neueste Version verzichtet, allen voran beim Dateimanager Nautilus, der in der Version 3.6 eine grundlegende Umgestaltung erfahren hat. Hier stößt man sich an der Entfernung einzelner Funktionen (etwa Split View / Extra Pane), bringt sich auf diesem Weg aber auch um diverse neue Features, ein umgestaltetes Interface sowie eine erheblich verbesserte Suchfunktion. Wie Ubuntu in dieser Hinsicht künftig verfahren will, bleibt noch abzuwarten, die Aktualisierung auf Nautilus 3.6 / 3.8 steht ebenso im Raum wie der Wechsel auf einen ganz anderen Dateimanager.

Totem

Deutlich aktueller als zuletzt präsentiert sich dafür der Videoplayer Totem: Da sich dieser seit der Version 3.2 der 3D-Bibliothek Clutter bedient, hatte man eine Zeit lang lieber zu älteren Ausgaben gegriffen, um eine funktionierende 3D-Grafikbeschleunigung nicht zur Voraussetzung für den Desktop zu machen. Mit dem Ende von Unity2D und dem Wechsel zur LLVMpipe-Lösung ist dieses Argument hinfällig geworden, also gibt es jetzt zumindest Totem 3.4. Zahlreiche andere GNOME-Anwendungen sind hingegen in der Version 3.6 enthalten, darunter etwa GNOME Contacts, der Bildbetrachter Eye of GNOME, der Texteditor Gedit oder das Speicherplatzanalysetool Baobab. Ebenfalls von GNOME übernimmt man, dass die Tools zur Barrierefreiheit nun von Haus aus aktiviert sind.

Fork, verschoben.

Die ursprünglich anvisierte Abspaltung des GNOME Control Centers in ein Ubuntu Control Center hat man bislang nun doch noch nicht vorgenommen. Wie auch immer man sich schlussendlich entscheidet, irgendeine Lösung sollte man bei Canonical bald einmal treffen. Der aktuelle Zustand der Systemeinstellungen unter Ubuntu ist jedenfalls nur bedingt optimal: So verwendet die Distribution derzeit eine veraltetet Version des GNOME Control Centers, in die man die eigenen Modifikationen mehr schlecht als recht hineinzwängt. Manche Einstellungspunkte werden im selben Fenster geöffnet, andere starten wiederum ein separates Programm, und einzelne (wie die Einstellungen für Ubuntu One) passen "dank" der Verwendung eines anderen Toolkits (Qt statt dem bei GNOME geläufigen GTK+) gleich so gar nicht zum Stil der restlichen Tools.

Softwareausstattung

Ein paar zentrale Eckpunkte der Softwareausstattung: Der Linux Kernel ist in der Version 3.5 enthalten, der Grafikserver von X.org in Ausgabe 1.13, die 3D-Bibliothek Mesa schon in Version 9.0, die unter anderem OpenGL-3.1-Support einführt. Der Browser Firefox ist in der aktuellen stabilen Version 16.0.1 mit dabei, selbiges gilt für das Mail-Programm Thunderbird. Die freie Office-Suite LibreOffice gibt es dieses Mal in Ausgabe 3.6.2.2 - und bringt dabei erstmals die Integration mit dem globalen Menü von Unity. Ebenfalls bereits ein alter Bekannter bei Ubuntu ist die Bildverwaltung Shotwell (0.13).

Proprietär

Verschwunden ist hingegen jenes Tool, das sich bisher um die Installation von proprietären Treibern - vor allem für ATI und NVidia-Grafikkarten - gekümmert hat. Die entsprechende Funktionalität ist nun in einem eigenen Tab in den Softwarequellen untergebracht, womit sie tatsächlich ziemlich gut versteckt ist. Dazu passt, dass auf die konkrete Umsetzung der Begriff "verbesserungswürdig" passt, sowohl was die grafische Umsetzung als auch die eher verwirrend gehaltene Formulierung der einzelnen Optionen betrifft.

Zurückhaltung

Auffällig war bei einem neu installierten System mit Nvidia-Grafik, dass nicht länger automatisch die Einrichtung des proprietären Treibers angeboten wurde. Angesichts dessen, dass die freien Nouveau-Treiber mittlerweile für durchschnittliche Desktop-Aufgaben bestens geeignet sind, durchaus eine richtige Entscheidung. Wer sehr neue Hardware besitzt oder gerne spielt, wird aber wohl weiterhin rasch auf den offiziellen Nvidia-Treiber wechseln.

Verwunderliches

Und noch eine kleine Beobachtung in Sachen Softwareausstattung: Etwas überraschend ist die Installation des "dconf-editors". AnfängerInnen werden sich im Wust der Optionen dieses Tools wohl kaum zu recht finden, mal ganz abgesehen davon, dass ein Teil der Ubuntu-Einstellungen noch immer im älteren Konfigurationssystem gconf abgespeichert sind - im dconf-editor also gar nicht zu finden sind.

Python 3

Eines der ursprünglichen Ziele für Ubuntu 12.10 war die Portierung aller Python-Bestandteile auf die aktuelle Python3-Generation. Das ist sich schlussendlich dann allerdings doch nicht ausgegangen, insofern werden weiterhin Python2 und Python3 parallel installiert.

NervNerv

Nicht wirklich neu, aber doch einmal erwähnt seien zwei kleinere Nervigkeiten: Da wäre einmal der Umstand, dass jede, und zwar wirklich jede, Partition, die Ubuntu auf den lokalen Festplatten findet automatisch im Launcher-Bereich eingebettet wird. Nicht nur, dass dies vollkommen sinnfrei ist, weil diese anhand der Icons ohnehin nicht zu unterscheiden sind wird so die Launcher-Liste mit unnötigen Einträgen überladen. Zumindest lassen sich diese Einträge mittlerweile gezielt entfernen, trotzdem: Was bei externe Dateiträgern durchaus Sinn ergibt, ist bei internen Platten einfach nur mühsam. Und dann wäre noch der Umstand, dass die Softwareaktualisierung gerne mal "schwindelt": Ist nämlich keine Netzwerkverbindung vorhanden, behauptet diese einfach, dass keine neuen Updates zur Verfügung stehen - anstatt darauf zu verweisen, dass gerade gar kein richtige Prüfung möglich ist, und dieses Problem gelöst werden sollte.

Alternativen

Wer sich mit dem Unity-Desktop von Ubuntu nicht so recht anfreunden kann, findet im Ubuntu-Universum wie gewohnt eine ganze Reihe von alternativen Ausgaben der Distributionen. Neben den gewohnten Releases von Kubuntu, Xubuntu, Edubuntu, Lubuntu und Ubuntu Studio gibt es erstmals auch einen "Ubuntu GNOME Remix", der ein aktuelles Ubuntu mit GNOME3 / GNOME Shell als Interface anbieten will. Derzeit ist dieser Remix allerdings noch als experimentell anzusehen: So sind noch nicht alle GNOME 3.6-Bestandteile enthalten, auch gibt es noch so manch bekannte Probleme, wie die zugehörigen Release Notes auflisten. Erst mit der kommende Ubuntu-Version hofft man den GNOME Remix als fixen Bestandteil des Reigens an Ubuntu-Desktop-Varianten zu etablieren.

Fazit

In Summe kann Ubuntu 12.10 - neben kontroversen, aber zumindest leicht zu deaktivierenden Dingen wie der Amazon-Integration - mit einigen durchaus signifikanten Verbesserungen aufwarten: Vor allem die Unity Previews und die Integration von Web Apps weiß dabei zu gefallen. Gleichzeitig zeichnet sich aber auch ab, dass Canonical die LTS-Ausgaben der eigenen Distribution zunehmend als "stabile" Ausgaben begreift, alles andere dazwischen eher einen experimentellen Charakter besitzt. Das heißt nicht, dass Ubuntu 12.10 sonderlich instabil wäre, die meisten darin aufgegriffenen Konzepte wirken aber noch etwas unfertig.

Wünsche

Ganz allgemein soll nicht verschwiegen werden, dass Ubuntu wieder mal eine ausgiebige Performance-Optimierungsrunde gut tun würde. Dass Unity in dieser Hinsicht nicht unbedingt Weltmeister ist, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Aber auch sonst zeigen sich selbst auf flotten Maschinen immer wieder mal Hänger, Boot und Login waren ebenfalls schon mal schnelle. Und das Software Center ist ohnehin primär durch seine Ladeanimation bekannt... (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 21.10.12)

tl;dr

Ubuntu 12.10 zeichnet sich durch eine Reihe von zentralen Umbauten und tatsächlichen Verbesserungen an Unity aus. Einiges wirkt dabei noch unfertig, anderes wie die Amazon-Einbindung ist nicht unumstritten.