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Avaaz-Aktivisten vor dem UN-Sicherheitsrat.

Foto: Reuters

NGOs haben Listen mit den Namen von 18.000 Menschen zusammengetragen, die in Syrien seit Beginn der Proteste gegen das Regime von Präsident Bashar al-Assad vor 18 Monaten entführt worden sein sollen. Von weiteren 10.000 wisse man, habe aber keine vollständigen Daten. Die Online-Aktivistengruppe Avaaz will dem UN-Menschenrechtsrat ein Dossier mit Berichten von Angehörigen der Entführten überreichen.

So berichtet Fayzeh al-Masri aus einer Vorstadt von Homs, ihr 26-jähriger Sohn Ahmad Ghassan Ibrahim sei im Februar verschwunden. Vor seinem Verschwinden habe er ihr per Telefon mitgeteilt, sie sollte bloß nicht seine Nummer anrufen. Später habe sich herausgestellt, dass der letzte Anruf ihres Sohnes von einem Telefon des syrischen Nachrichtendienstes gekommen war.

Mehrmals habe die Familie versucht, Kontakt zum militärischen Nachrichtendienst aufzubauen und Informationen zu bekommen. Nach vielen erfolglosen Versuchen habe sich eines Tages eine unbekannte Stimme am Telefon des Sohnes gemeldet und gesagt, der Sohn sei in Rastan getötet und dort begraben worden. "Wir waren nicht in der Lage, diese Information zu überprüfen", sagt Masri. "Wir sind uns sicher, dass er uns nicht freiwillig verlassen hat, vor allem da seine Frau Zwillinge erwartet. Wir wollen lediglich wissen, was mit ihm geschehen ist."

Hussein Eisso, ein 62 Jahre alter syrischer Kurde, wurde vor seinem Haus in Hasaka entführt. "Zuvor hatte er friedliche Proteste zur Freilassung politischer Aktivisten angeführt", sagt sein Bruder Bashar. "Mein Bruder wurde nicht freigelassen, weil er sich geweigert hatte, ein Dokument zu unterschreiben, in dem er seine angeblichen Taten bereut hätte."

"Für eine Nacht inhaftiert"

Laut Avaaz-Kampagnendirektorin Alice Jay werden Syrer auf der Straße vom Militär oder regimetreuen Milizen festgenommen und würden dann in Folterzellen "verschwinden". Niemand sei sicher, weder die Ehefrau, die Einkäufe erledige, noch der Bauer, der sich für Diesel anstelle. "Die Angst, nicht genau Bescheid zu wissen, was mit den verschleppten Angehörigen passiert ist, lässt Kritiker verstummen", sagt Jay. Sie verlangt eine lückenlose Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen.

Fadel Abdulghani vom Syrischen Netzwerk für Menschenrechte schätzt, dass knapp 28.000 Menschen seit Beginn der Proteste gegen Assad verschwunden sind. Muhannad al-Hasani von der Menschenrechtsorganisation Sawasya setzt die Zahl mit 80.000 bedeutend höher an, da insbesondere die Lage in Dörfern und kleineren Gemeinden einberechnet werden müsse. "Die Menschen werden dort mitten in der Nacht verschleppt, wenn keine Zeugen anwesend sind", so Hassani.

Hoffnung auf Waffenstillstand

Das syrische Regime hat die Berichte nicht kommentiert, hat allerdings in der Vergangenheit ähnliche Vorwürfe bestritten. Das syrische Außenministerium erwarte nach AFP Angaben den Sondergesandten der UNO Lakhdar Brahimi am Samstag, um über den angestrebten Waffenstillstand zu verhandeln. Brahimi hatte den Waffenstillstand für die islamische Festzeit Eid al-Adha vorgeschlagen. Das Fest beginnt mit dem 25.Oktober und der angestrebte Waffenstillstand soll eine "politische Lösung ermöglichen". (red, derStandard.at, 18.10.2012)