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Einfach die Füße hochlagern und das kleine Refugium genießen. Geht es nach Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, sollen weit mehr Wiener als bisher die Möglichkeit bekommen, ihre Wohnung aufzurüsten.

Foto: dpa/Frank Leonhardt

Wien - Wer nicht bereits das Glück hat, seine Sommer- oder lauen Herbstabende auf dem eigenen Balkon verbringen zu können, hat zumindest die Möglichkeit, seine Wohnung nachrüsten zu lassen. Theoretisch. Denn in der Realität ist der Weg dorthin gepflastert mit Schwierigkeiten.

Im Fall von Sebastian M. war es eine einzige Nachbarin, die durchsetzen konnte, dass der Traum vom Balkon ein Traum bleiben muss - auch, wenn die anderen 14 Parteien im Haus keine Einwände hatten. Will jemand einen Balkon zubauen, gilt es, das Einverständnis aller Miteigentümer zu bekommen. Im Fall von M. gab es noch eine offene Rechnung mit der Nachbarin wegen eines Parkplatzes, das hat sich nun gerächt. Wer bis zur Grundstücksgrenze gehen will, muss sich auch noch den Segen des Nachbarhauses einholen.

Lockerung bereits 2009

Ist diese Hürde erst einmal genommen, folgt der Behördengang und die Bauverhandlung. Die Wiener Bauordnung wurde im Jahr 2009 gelockert, seither darf die maximale Balkontiefe 2,5 statt 1,5 Meter betragen und in der Länge ein Drittel der Gebäudefront. "Die Anträge sind seither stark gestiegen", sagt Robert Kniefacz von der MA 19 für Architektur und Gartengestaltung. Doch in der Regel darf der Balkon in Wien nur hofseitig angebaut werden. Dies gilt seit 1996. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn unterhalb eine Grünfläche liegt und kein Gehsteig oder eine Fahrbahn.

"Ich halte diese Bestimmung für veraltet" meint Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne). Gerade im Hinblick auf immer heißer werdende Sommer seien Erholungsräume in der Stadt eine zentrale Frage der Lebensqualität. "Wir haben vor allem im Altbaubereich sehr viele Hürden, die es zu lösen gilt."

Sie sehe sich mit zahlreichen Anfragen konfrontiert, wo eine Baugenehmigung verweigert wurde, obwohl es weder statische noch ästhetische Probleme gibt.

Balkon an Altbau-Fassade "wäre Brutalität"

"Wien hat nun einmal wenig Tradition mit Balkonen", erklärt Kniefacz. Selbst die mit etwa 80 Zentimetern relativ flachen Balkone aus der Gründerzeit würden heute kaum erlaubt werden, weil sich Kinder daran hinaufhanteln könnten. "Das Sicherheitsdenken hat oberste Priorität", argumentiert Kniefacz. Deswegen dürfen Balkone auch nicht über die Baulinie ragen, etwas könnte auf die Straße oder den Gehsteig fallen. Gleich danach folgt das Stadtbild. Kniefacz: "An vielen Altbau-Fassaden wäre ein moderner Balkon glatte Brutalität."

Anders auf der Rückseite. Weil Gründerzeithäuser meist nur zur Straßenseite hin üppig dekoriert wurden, die Hinteransicht jedoch spärlich gestaltet wurde - um nicht zu sagen "nackert" -, gibt es hier kaum Probleme mit der Bewilligung. Natürlich nur, solange die Statik den Anbau verträgt.

Für Neubauten gibt es eine Drittelförderung der Stadt Wien für die Balkonfläche jeder Wohnung, die mit Wohnbauföderung errichtet wird. Günstige Balkone sind ab 5000 Euro zu haben, durchschnittlich kostet der Anbau zwischen 10.000 und 12.000 Euro. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 17.10.2012)