Bild nicht mehr verfügbar.

Nichts fürs ausführliche Bibelstudium, dafür trotz seiner Kleinheit ein echter Hingucker ist diese Minibibel.

Foto: AP/Hanschke

Die Bibel. Das Buch der Bücher. Urkunden des Glaubens. Voller Weisheiten. Die einen Sammler in Gewissensbisse stürzen können. "Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen", heißt es in der Bergpredigt.

Und doch gibt es sie. Schatzsammler, die der irdischen Versuchung nicht widerstehen können, ihrer Anziehungskraft erliegen und auf Motten pfeifen. Nicht unbedingt, um sich an geistvollen Worten zu erbauen. Oder um hernach ein bibelkonformes Leben zu führen. Sondern einfach so. Weil sie schön sind. Weil man mit ihnen eine spannende Zeitreise durch die Geschichte unternehmen kann.

Verbreitetes Missverständnis

Einer von ihnen ist Hannes Eichsteininger. "Immer wenn ich eine alte Bibel aufschlage, habe ich für einen kurzen Moment das Gefühl, ich könnte mit dem alten Buch die Zeit hinter mir lassen", erzählt er und ergänzt: "Bibeln und die meisten anderen Bücher wurden übrigens früher wirklich 'aufgeschlagen'. Durch einen Schlag auf den Buchrücken löste man die Buchschließen und konnte das Buch öffnen."

Der in Ried lebende Diplompädagoge, der an der dortigen Polytechnischen Schule Jugendliche in Informatik unterrichtet, hat sich auf deutsche Bibeldrucke spezialisiert und räumt gleich mit einem weitverbreiteten Missverständnis auf: dass die 1534 erschiene Vollbibel von Luther weder die erste in deutscher Sprache noch die erste gedruckte Bibel war. Doch die vorlutheranischen Bibeln auf Deutsch waren aufgrund tollpatschiger Übersetzung nicht "massentauglich".

Mit dem Reformator wurde das anders - zur Freud und zum Leid heutiger Sammler gleichermaßen. Denn seither wurden und werden Bibeln in hoher Auflage gedruckt. Mit geschätzten drei Mrd. ist das Wort Gottes schließlich vor "Máo-zhuùxí yuùlù" mit 1,5 Mrd. Stück das meistverkaufte Buch.

Die Preise für gedruckte Ausgaben der Heiligen Schriften der Vorlutherzeit erreichen mitunter himmlische Höhen. Eine 1483 bei Anton Koberger in Nürnberg verlegte, mit kostbaren Farbbildern verzierte Biblia germanica wurde jüngst bei einer Auktion für Deutschland für 65. 000 Euro feilgeboten.

Für spätere Bestseller in relativ hoher Auflage sind solche Summen undenkbar. Und doch: "Es gibt es keine annähernd so preisgünstige Möglichkeit in die Welt alter Drucke einzutauchen", sagt Experte Eichsteininger. "Wenn Sie Fachauktionen verfolgen, werden Sie feststellen: Eine Bibel aus dem 16. Jahrhundert kann erstaunlich günstig sein - ein Kräuterbüchlein aus der gleichen Zeit ist hingegen für den Normalverbraucher meist unerschwinglich."

Kleiner Markt

Ein anderer Vorteil: Fälscher lassen ihre Finger von dem heiligen Buch - nicht aus Höllenfurcht, sondern weil zum einen der Markt zu klein ist, zum anderen der Aufwand viel zu groß. Ausgelegt als Gebrauchsgegenstände wurden Bibeln gern auf Papier aus Leinenfetzen gedruckt. Wer will sich diese Prozedur schon antun? Für Sammler hat der Druck auf sogenanntem Haderpapier noch einen anderen Vorteil: eine erstaunliche Robustheit. " Sie könnten eine Bibel aus dem 16. Jahrhundert locker in einen See tauchen. Vorausgesetzt, das Wasser ist sauber und Sie warten die Trocknungszeit ab, werden Sie am Buch keine substanziellen Veränderungen feststellen", sagt Eichsteininger, der auf Wunsch auch Schätzungen durchführt.

Wenn auch alte Bibeln als Geldanlage noch weniger entdeckt sind, kann ihr Kauf in einigen Fällen durchaus sinnvoll sein, ist der Rieder Bibelliebhaber überzeugt. "Führen Sie sich vor Augen, dass eine Bibel aus dem 16. Jahrhundert einen immerhin niedrigen vierstelligen Wert repräsentiert. Das wird auch in 20 Jahren noch so sein."

Manche Sammler verlegen sich auf Spezialausgaben wie jene mit den dunklen, an Wahnvorstellungen erinnernde Bildern des französischen Illustrators Gustave Doré aus dem 19. Jahrhundert.

Oder auf andere Exoten, bei denen die Regel "Nur alte Stücke gehen gut" außer Kraft tritt. Den beachtlichen Preis von 72.500 Euro erzielte jüngst im September eine relativ neue Bibelausgabe aus dem Jahr 1957. Beim Käufer handelte es sich allerdings nicht um einen Bibliophilen, sondern um einen Jünger von Elvis Presley, dem einstigen Besitzer des Buches.(Karin Tzschentke, DER STANDARD, 18.10.2012)