Zenith El Primero Stratos Chronograph Striking 10th und Flyback.

Foto: Hersteller
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50 Stunden Gangreserve, Edelstahl, einseitig drehbare Lünette mit schwarzer Keramikscheibe.

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Eine Hälfte der Menschheit begeistert sich noch an Felixens Wagemut, seiner Disziplin, seiner Hingabe an die Sache und - natürlich - an seinem Erfolg. Eine Hälfte der Menschheit findet die Weltrekordlerei mit Ballon, Sprung aus Stratosphäre etc. ungefähr so relevant wie den Weltrekord im Kirschkernspucken. Letzteres ist ja auch gefährlich. Man könnte einen verschlucken, als Folge eine Blinddarmentzündung kriegen oder einen unschuldigen Passanten mit dem Geschoß ins Auge treffen.

Ob man nun die Sache, in deren Dienst Felix Baumgartner Leib und Leben stellte, gutheißt oder als Verlust jeglichen Hausverstands und Augenmaßes geißeln mag, gesprungen ist er nun mal, auf den Füßen gelandet auch. Den österreichischen Bullendrink hat er sicher noch bekannter gemacht und den anderen befreundeten Marken bestimmt auch nicht geschadet.

Freund des Hauses

Vor einigen Monaten schon wurde Felix Baumgartner vom CEO der Uhrenmarke Zenith, Jean-François Dufour, in Paris der Öffentlichkeit als Freund des Hauses und Fahnenträger des Markenpioniergeists präsentiert. Und wer es danach immer noch nicht begriffen hatte, bei wem Baumgartner unter Vertrag ist, mag sich angesichts des breiten Zenith-Schriftzugs auf des Baumgartners Arbeitskleidungsbrust gefragt haben, was dieser wohl bedeute.

Nun, Zenith, Schweizer Uhrenlabel, im LVMH-Konglomerat eingebunden, ist nicht ganz so bekannt wie der Bullendrink. Das liegt an der Natur des Produkts, denn Zenith baut Uhren - quasi in der Stratosphäre der Uhrmacherei. Örtlich gesprochen in Le Locle, einer Herzkammer in der Westschweizer Uhrmacherregion. Zeitlich gesprochen seit 1865. Und der Manufaktur ist eines gelungen, was nur wenigen in der Uhrenindustrie gelang: ein Kaliber zu bauen, einen Mikromotor der Zeit, der Meilenstein der Uhrengeschichte und gleichzeitig Blaupause für die gesamte Branche ist.

Es handelt sich um das Automatikkaliber El Primero, das Ende der 1960er-Jahre entwickelt wurde. El Primero, der Erste, war schon bei seiner Geburt so ausgereift, dass etwa Rolex befand, nachahmen lohne nicht, und das Kaliber direkt ankaufte, um es in Daytona zu packen - mit einer feinen, aber für Uhrenfreunde entscheidende Änderung: Bei der El Primero schlägt das Herz zehnmal pro Sekunde, bei Rolex achtmal, was man als die Wegnahme mechanischen Charmes zugunsten von weniger Verschleiß, ergo Wartungsanfälligkeit zu bewerten hat. Also: Zenith-El-Primero-Pioniergeist-Baumgartner.

Striking-10th-Funktion und Flyback

Für den Stratosphärenköpfler stattete man den Springer mit einer Sonderversion einer edelstählernen El Primero aus. El Primero Stratos mit einer chronografischen Striking-10th-Funktion, die die Zehntelsekunde sichtbar macht, ermöglicht durch ein mechanisches Bauteil, sowie einer Flyback-Funktion. Die Stratos wurde im Vorfeld auf die besonderen Bedingungen der großen Höhe getestet, ist dafür konstruiert, die durch Beschleunigung verursachte erhöhte Erdanziehung durchzustehen und ist der konstruktiven Absicht gemäß ebenso unversehrt gelandet wie ihr Träger.

Zu fragen, ob solche Produkteigenschaften im Alltag nützen oder nicht, ist genau so sinnvoll wie die Frage, ob eine Wasserdichtigkeit bis 1500 Meter Sinn hat. Technologische Möglichkeit haben meistens einen Effekt, wenn sie auf Alltagsbedingungen heruntergerechnet werden. Was die Pionierleistung des Felix Baumgartner ist, ist weniger klar. Für den Bungee-Jumper der Zukunft, der während des freien Falls die Zeit auf die Zehntelsekunde genau stoppt? Die gute El Primero schlägt indes unverdrossen zehnmal pro Sekunde, Schwerkraft hin, Geschwindigkeit her. (Bettina Stimeder, Rondo, DER STANDARD, 19.10.2012)