Wann ist es an der Zeit, das erste Mal in den Wintermantel zu schlüpfen?

Foto: Regine Hendrich

Es ist heute an der Zeit, die Mantelfrage zu stellen. Mit ihr ist man regelmäßig im Oktober, spätestens Anfang November konfrontiert, manchmal blöderweise auch schon im September. Die Mantelfrage ist ganz einfach und lautet folgendermaßen: Wann ist es an der Zeit, das erste Mal in den Wintermantel zu schlüpfen? Die einfache Antwort lautet: wenn die Temperatur danach verlangt.

Doch wie aufmerksame Leser dieser Kolumne vielleicht wissen, sind einfache Antworten bei Kleidungsfragen selten zu finden. Früher lautete die Regel: Frühestens zu Allerheiligen und spätestens zu Allerseelen. Das galt im besonderen, wenn der Mantel erstens neu und zweitens aus Pelz war. So warm konnte es in den ersten Novembertagen gar nicht sein, dass man seine neue Errungenschaft am Grab nicht vorführen wollte, wobei man natürlich bedenken musste, wo sich das Grab befindet. 

In der Tante Jolesch verewigt

Als eine Prager Dame einmal gefragt wurde, warum sie ihren neuen Nerz zwar nach Karlsbad, aber nicht nach Nizza mitnehme, begründete sie dies mit dem Hinweis, dass sie in Nizza doch gänzlich unbekannt sei. Diese Geschichte wurde in der Tante Jolesch verewigt, und man kann davon ausgehen, dass es sich mit neuen Mänteln auch heute noch so verhält. Was wir daraus lernen können?

Erstens: dass es von Vorteil ist, wenn die Angehörigen möglichst nahe am eigenen Wohnort begraben liegen. Und zweitens: Kauft man einen neuen Mantel, sollte man den alten nicht zu schnell entsorgen - falls es doch einmal schon vor Allerheiligen kalt wird. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 19.10.2012)