Alles begann mit dem verständlichen Wunsch der Verwertungsgesellschaften, die kolportierten Einkommensverluste der letzten Jahre vor allem aus dem Geschäft der mechanischen Vervielfältigung (CDs, Kassetten, Print ...) in den Griff zu bekommen. Dabei wurde ein altbekanntes Narrativ beschworen, nämlich das vom kunst- und kulturschädigenden Internet und dem direkten Zusammenhang zur Armut der Kunstschaffenden. Die "Gratismentalität" der Massen lässt die Kulturschaffenden verarmen (und selbstverständlich nicht die, gelinde gesagt, mitunter ungünstigen Verträge der großen Verlage).

Für diese "sozialen Anliegen" ließen die Verwertungsgesellschaften eine einige hunderttausend Euro schwere Werbekampagne von der Leine, um in postdemokratischer Manier auf die Politik Druck auszuüben. Dabei wurde eine Reihe von schweren Fehlern begannen, wie zum Beispiel der Umstand, dass zwar viel Geld für Werbung in die Hand genommen wurde, aber es niemand der Mühe wert fand, die Forderungen gesellschaftlich zu kontextualisieren und Allianzen zu suchen.

Nun stehen die Initiatoren mit ihrer Kampagne auch entsprechend isoliert da, und nachdem es keine inhaltliche Grundlage gibt, außer ein lauthals inszeniertes Partikularinteresse, wird es schwerfallen, inhaltliche Verhandlungen zu führen. Also keine ideale Ausgangsbasis für konstruktive Gespräche und "evidence based policy making".

Mögliche Allianzen wurden vernachlässigt. Denn nicht nur die Kreativen könnten Interesse an einer "Festplattenabgabe" haben, sondern auch die Konsumenten. Das Urheberrecht regelt in Zeiten der Digitalisierung nicht nur das Verhältnis zwischen den professionellen AkteurInnen (Urheber, Agenturen, Produktionsfirmen und verwertende Industrie), sondern eben auch den Umgang mit Werken von Privatpersonen. Dieser Zustand ist für Anna und Otto Normalverbraucher ein sehr ungünstiger, denn es trifft eine sehr komplexe Rechtsmaterie auf Personen, die diese nicht annähernd überblicken können. Ziel muss es daher sein, die Privatpersonen aus der Urheberrechtsklammer wieder zu befreien, indem man Rechtssicherheit schafft und den Schaden vergütet.

Pauschalabgaben können dafür eine mögliche Lösung sein, wenn im Gegenzug auch die Rechtsunsicherheiten eliminiert werden und möglichst einfach und übersichtlich geregelt ist, was Anna und Otto mit verschiedenen Inhalten auf ihren Computern, Pads und Smartphones offline und online nun tun dürfen. Ob es nun eine Privatkopie von einer illegalen Quelle gibt oder nicht. Woran man eine illegale Quelle erkennt und was heutzutage ein Kopiervorgang ist. Denn wenn man jedes Back-up einer Festplatte, das Zwischenspeichern für die Bearbeitung einer Datei auf einem Server, das Übertragen von Daten von einem alten auf ein neues Gerät etc. immer als Privatkopie bezeichnet, so wird man dem Phänomen wohl kaum gerecht.

Wo ist der konkrete Schaden?

Im Besonderen sind zwei Dinge zu berücksichtigen: Erstens schreibt der EuGH vor, dass Kompensation nur dann möglich ist, wenn ein Schaden festgestellt werden kann. Folglich müsste also privaten Kopiervorgängen ein Schaden zugeordnet werden. Wo sind hierfür die (nachvollziehbaren) empirischen Grundlagen, mit denen die Proponenten der aktuellen Kampagne in Verhandlungen gehen könnten und die ihre Forderungen stützen? Nur die Tatsache, dass aus einer Quelle weniger eingenommen wird als noch vor ein paar Jahren, reicht nicht für die Berechnung eines Schadens aus, auf deren Basis dann eine Abgabe eingehoben werden kann.

Zweitens schreibt der EuGH vor, dass - logischerweise - nur legale Vorgänge kompensiert werden können. Kurz, eine Abgabe auf alle Speichermedien, wie derzeit immer wieder diskutiert, würde eindeutige Rechtsverhältnisse und Rechtssicherheit unbedingt voraussetzen, denn nur dann kann auch ernsthaft ein Schaden beziffert werden, den es zu kompensieren gilt. Anders gefragt: Wie kann eine Abgabenhöhe festgelegt werden, wenn es keine Berechnungsgrundlage gibt? Ohne Rechtssicherheit ist es aber wiederum unmöglich, einen Schaden zu bewerten, und ohne Bewertung des Schadens wird es kaum möglich sein, einen Tarif zu errechnen. Wozu sollten etwaige VerhandlungspartnerInnen also zustimmen können, wenn nur verlangt wird, aber nichts angeboten? Wie sollen Kosten und Nutzen in eine Relation gestellt werden, wenn nur Kosten berücksichtigt werden?

Womit sich die KampagnenführerInnen verrechnet haben, ist, dass die Brechstange des Politlobbyismus heutzutage nicht mehr so still im Hinterzimmer angesetzt werden kann wie in analogen Zeiten. Die Brechstange wühlt viel Staub auf, und am Ende stehen einander - wie gerade heute - zwei Demonstrationen gegenüber. Die Kampagne hat bisher zwar emotionalisiert und aufgehetzt, aber inhaltlich liegt nicht einmal noch genug auf dem Tisch, um die Forderungen ernsthaft diskutieren zu können. (Paul Stepan, DER STANDARD, 17.10. 2012)