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Bart de Wever bei der Siegesfeier in Antwerpen am Sonntag.

Foto:Geert Vanden Wijngaert/AP/dapd

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Im Dezember 2011 im belgischen Parlament.

Foto: REUTERS/Thierry Roge

Tritt der künftige Antwerpener Bürgermeister Bart de Wever im niederländischen Fernsehen auf, blenden die Sender ob seines rustikalen Flämisch oft Untertitel ein. "Wir sind zwei Völker, die von der gemeinsamen Sprache getrennt werden", zitiert der Belgier bei dieser Gelegenheit gerne ein Bonmot von Alexander Lernet-Holenia, dem österreichischen Schriftsteller, der seinerzeit Ähnliches über Deutsche und Österreicher sagte. Dabei eilt dem 41-jährigen studierten Historiker der Ruf voraus, mit den in Belgien mitunter als arrogant verschrienen holländischen "Noorderburen" weit besser zu können als mit seinen französischsprachigen Landsleuten in der südlichen Wallonie.

Ein Nationalist sei er, sagen die einen. Er sei ein Spalter, der das wohlhabende niederländischsprachige Flandern nicht länger im belgischen Staatsverband mit dem subventionierten frankophonen Süden halten will, sagen andere. Belgien sei der kranke Mann Europas, ließ De Wever 2010 in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin "Spiegel" verlauten. Mit Radikalität wolle er aber nichts zu tun haben, beteuert der dank einer Proteindiät spontanerschlankte Chef der Partei Neu-Flämische Allianz (N-VA) stets.

Fest steht, dass De Wever den rechtsradikalen Vlaams-Belang-Sezessionisten um Filip Dewinter spätestens seit Sonntag den Rang abgelaufen hat. Rassistische oder ausländerfeindliche Töne finden sich von ihm nicht, gleichwohl ließ er sich 1996 während eines Auftritts von Jean-Marie Le Pen in Antwerpen mit dem französischen Rechtsextremisten fotografieren. Er habe kein Problem mit den Wallonen, "sondern mit den Strukturen des belgischen Staates, die nicht funktionieren", betont De Wever, der fließend Französisch spricht. Mit 37,7 Prozent der Wählerstimmen - darunter ein großer Anteil früherer Vlaams-Belang-Parteigänger - ist ihm der prestigeträchtige Bürgermeisterposten der größten flämischen Stadt Antwerpen kaum mehr zu nehmen. Der Weg des Bart de Wever durch die Institutionen dürfte damit aber noch lange nicht zu Ende sein.

Der konservative Bewunderer des irischen Philosophen Edward Burke glaubt nicht an eine Revolution in Belgien, sondern an die Evolution: Der dreisprachige Staat - auch Deutsch ist offizielle Sprache - solle, wenn es nach ihm geht, nicht zerbrechen, sondern verdampfen. De Wever will Flandern und Wallonien in einem losen Staatenbund aufgehen sehen, einer Art Mini-EU mitten in Europa. Ein Anschluss des katholisch dominierten Flandern an die Niederlande kommt für ihn aber nicht in Frage. Französischsprachige Zeitungen vergleichen den flämischen Gottseibeiuns trotzdem gerne mit Jörg Haider und dem niederländischen Rechtsaußenpolitiker Geert Wilders.

Unter den Flamen ist Bart de Wever hingegen einer der beliebtesten Politiker des Landes. Überregionalen Konsens erzielt lediglich, wer dem studierten Historiker großes rhetorisches Talent zugesteht. Seine Auftritte in den in Belgien überaus beliebten Quizshows sind Legende, sein beißender Humor schreckt auch vor Selbstironie nicht zurück. "Ich wollte eigentlich erst nach Ende der Regierungskrise in Belgien mit der Diät beginnen. Aber dann wäre ich wohl schon tot", sagte er kürzlich im Fernsehen. Binnen eines halben Jahres halbierte der vierfache Vater sein Gewicht. Der Mann, der einst als "Waffelmann" verspottet wurde, läuft jetzt Mittelstreckenrennen. Ein "Beweis meiner Willensstärke", den er vom Privaten jetzt ins Öffentliche tragen will. (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 16.10.2012)