Sehr geehrter Herr Enzenhofer,

als Schüler und Schauspieler verfolge ich die aktuelle Diskussion über die geplante Kürzung der unverbindlichen Übungen, besonders für das Fach Darstellendes Spiel.

Zu diesem Thema wurde von der Landes-ARGE "Darstellendes Spiel", der Bundes-ARGE "Theater in der Schule" und der LehrerInnen-Initiative "SOS Theater" ein Aktionstag geplant, der am 18. Oktober 2012 in Wien stattfinden soll, um auf die geplanten Kürzungen aufmerksam zu machen.

Diese Veranstaltung wurde jedoch zuletzt vom Landesschulrat untersagt. Mit Erstaunen nehme ich Ihre diesbezüglich abweisende Haltung zur Kenntnis, die in einer Weisung vom 1.10.2012 veröffentlicht wurde. Der Landesschulrat bekennt sich darin dazu, den Aktionstag nicht zu einer schulbezogen Veranstaltung zu erklären.

Meine Frage hierzu: Was ist ein Aktionstag, der auf die drohende Streichung der Stunden für "Darstellendes Spiel" hinweisen soll, wenn nicht schulbezogen?

Stundenstreichungen sind so schulbezogen wie wahrscheinlich nur wenige andere Themen, die den Landesschulrat beschäftigen. Dieses Vorgehen gegen das Engagement von Schülern und Lehrern muss ich somit als Ablehnung einer Diskussion über das Absetzen der Unterrichtseinheiten deuten. Denn was ist ein Gespräch wert, wenn der einen Seite dort, wo das zu behandelnde Thema Relevanz besitzt, das Reden untersagt ist?

Des Weiteren machen sich unter den Schülern Irritation und Frust breit. Im Unterricht wird allen Schülern die Funktionsweise eines demokratischen Staates beigebracht. Man erzählt ihnen, welche Rechte und Freiheiten ihnen zustehen. Den Jugendlichen sollen und werden in den Bildungseinrichtungen kritisches Denken und eigenständiges Arbeiten beigebracht, da diese Fertigkeiten wichtig für das spätere Leben sind. Ja, ich bin froh, in einem Staat wie Österreich zu leben, versuche eigenständig zu arbeiten und Dinge kritisch zu betrachten, so wie viele andere Schüler auch.

Sehr geehrter Herr Enzenhofer, ich hoffe, Ihnen ist klar, dass man sich vom Verbot, seine Meinung kundzutun, und der Anschuldigung, sich instrumentalisieren zu lassen, vor den Kopf gestoßen fühlt oder sich vorkommt wie ein Spatz, auf den mit Kanonen geschossen wird.

Viele der Engagierten, die sich für Theater an der Schule einsetzen, sind zwischen 14 und 17 Jahre alt. Jeder von ihnen hat eigenständig entschieden, von den oben erwähnten demokratischen Rechten erstmals ernsthaften Gebrauch zu machen (mich inbegriffen).

Mit einer Reaktion wie ihrer Weisung vom 1.10.2012 zerstampfen Sie jedoch das Vertrauen junger Menschen in eine Staatsform, deren Vertreter unter anderem Sie und der gesamte Landesschulrat sind. Nicht zuletzt fühle ich mich (und ich nehme an, ich spreche nun im Namen vieler Schüler) in meiner Person und meinem Handeln zu Unrecht kritisiert.

In Ihrem Schreiben an den Gmundner Jugendbeauftragten Josef Aigner meinen Sie nämlich: "Ich lasse jedoch nicht zu, dass Schüler für eine Demonstration instrumentalisiert werden." Sie unterstellen damit bestimmten Lehrern und Autoritätspersonen, dass diese ihre Position missbrauchen würden, um mit Hilfe der Schüler ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Dies wiederum setzt voraus, dass ich als einer dieser Schüler manipulierbar wäre. Ich nehme an, Sie beabsichtigten nicht, uns Schüler einer politischen Unfähigkeit zu bezichtigen, zumindest hoffe ich das. Damit muss ich leider die logische Schlussfolgerung ziehen, dass das Argument der Instrumentalisierung nicht wirklich Ihr Beweggrund für diese Weisung sein kann.

Bitte, sehr geehrter Herr Landesschulratspräsident, nennen Sie uns bessere und triftigere Argumente! Dieses eine ist mir persönlich ein bisschen zu wenig, zumal Menschen vernunftbegabte, denkende Wesen sind.

Abschließend möchte ich in guter Gesinnung Ihnen noch einen Gedanken mit auf Ihren - hoffentlich noch nicht zu Ende geführten - Entscheidungsweg geben: Als Schüler habe ich einen sehr guten Einblick in die tatsächlichen Begebenheiten sozialer, physischer und psychischer Art in Schulen/Klassen. So sehr sich auch viele Direktoren, Eltern, Lehrer und auch Schüler um Verbesserungen bemühen: Für viele ist die Schule schon lange kein Ort mehr, den sie mit Freude und Hoffnung verbinden bzw. gerne und wegen allem Wissen, welches dort vermittelt wird, betreten.

So bitte ich Sie, Herr Landesschulratspräsident, entziehen Sie nicht hunderten, wenn nicht tausenden Jugendlichen eine wichtige Stütze ihrer emotionalen Seite in der Schule und trampeln Sie nicht das bei uns erst keimende Vertrauen in die demokratische Staatsform nieder.

Mit freundlichen Grüßen, Lukas Brunner (Lukas Brunner, Leserkommentar, derStandard.at, 18.10.2012)