Wenn traditionelle Volksparteien glauben, sie könnten gepflegte Machtausübung fortsetzen, ohne sich zwischendurch einer beherzten inneren Erneuerung unterziehen zu müssen, sind sie auf Dauer dem langsamen Ausrinnen geweiht. Diese Lehre können Christ- und Sozialdemokraten - auch hierzulande - aus einer Regionalwahl in Belgien ziehen.

Dort hat im Wirtschaftszentrum Antwerpen mit Bart de Wever ein Mann triumphiert, dessen Partei vor zehn Jahren nur einen einzigen mickrigen Stadtratssitz gewann. Nun dürfte er mit knapp 40 Prozent der Wählerstimmen der nächste Bürgermeister werden.

Wie ist das möglich? Gewiss, den größten Teil seines Erfolges verdankt der Anführer der "Neuen Flämischen Allianz" seinem politischen Chauvinismus. Er setzt ganz auf Abtrennung der "fleißigen" Flamen im Norden von den "armen" Wallonen im Süden. Das mögen die Flamen, die mit ihrer klein- und mittelständischen Wirtschaft seit zehn, zwanzig Jahren besonders reüssieren.

Aber dieser Separatismus ist nicht das einzige Erfolgskriterium. De Wever, der sich zur EU bekennt, kann nach Belieben vorführen, wie die Traditionsparteien jahrzehntelang das Land in Filz, Korruption und Reformunwilligkeit gehalten haben - ohne personelle Erneuerung. Das wirkt bei den Wählern, die sich von den ausländerfeindlichen Rechtsextremen in Scharen abwandten. Erstaunlich. (DER STANDARD, 16.10.2012)