Für den Chef von Air Armenia war es eine "türkische Show", für die Regierung in Ankara eine weitere Gelegenheit, ihre Entschlossenheit gegenüber dem syrischen Regime zu demonstrieren. Auf dem Flughafen der ostanatolischen Stadt Erzurum ließen die türkischen Behörden am Montag ein zweites Mal innerhalb weniger Tage eine Maschine auf mögliche Waffenlieferungen nach Syrien untersuchen. Dieses Mal traf es ein Frachtflugzeug der privaten armenischen Linie Air Armenia.

Die Inspektion sei im Vorhinein vereinbart worden, sagte der Direktor der Fluggesellschaft dem Nachrichtenportal Armenian News. Die türkische Seite versuche mithilfe der Medien, daraus eine Show zu machen und zu behaupten, es habe sich um eine erzwungene Landung gehandelt, meinte Arsen Avetisian. Die Propellermaschine war mit humanitären Hilfsgütern auf dem Weg von Eriwan nach Aleppo. In der umkämpften syrischen Stadt lebt eine armenische Gemeinschaft, der zwischen 60.000 und 100.000 Menschen angehören sollen.

Die armenische Maschine flog nach mehreren Stunden Durchsuchung der Fracht weiter. Der Vorfall war zusätzlich brisant, weil die Türkei seit 20 Jahren keine diplomatischen Beziehungen zu Armenien unterhält und die Grenze zum kleinen Nachbarstaat geschlossen hat. Vergangene Woche zwangen türkische Jets eine Passagiermaschine der Syrianair aus Moskau zur Landung in Ankara. Entgegen der Aussage von Premier Tayyip Erdogan soll sich an Bord der Maschine keine Munition befunden haben. Die CIA habe der Türkei falsche Informationen geliefert, mutmaßten am Montag Kommentatoren.

EU soll für Flüchtlinge zahlen

Die Zahl der syrischen Flüchtlinge in der Türkei durchbrach mittlerweile die Marke von 100.000. In einem Interview mit der deutschen Tageszeitung Die Welt rief der türkische Europaminister Egemen Bagis die EU zu finanziellen Leistungen auf, um das Flüchtlingsproblem zu meistern. "Europa sollte den Menschen helfen, die einen sicheren Hafen suchen, und Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Es wird Zeit, dass Europa endlich hilft", sagte Bagis.

Bagis vermied allerdings zu erwähnen, dass die türkische Regierung von Beginn der Krise an internationale Hilfe ablehnte und die Flüchtlingslager im Alleingang aufbaute und verwaltet. Ankara wollte damit seinen Anspruch auf seine regionale Führungsrolle zeigen. Ein Ergebnis davon sind Mängel in der Lagerverwaltung. Insassen klagen etwa, dass sich der Schulunterricht für Kinder auf Türkischlernen und Koranlesen beschränke. (Markus Bernath aus Istanbul /DER STANDARD, 16.10.2012)