Bienen sind auch im Flug erstaunlich gut organisiert - Markus Imhoofs Dokumentarfilm begleitet sie nicht nur dabei. 

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Wien - Als vor rund sechs Jahren die ersten Fälle von massivem Bienensterben medial die Runde machten, war die Aufregung groß. Es brauchte gar nicht Albert Einsteins berühmtes Diktum, dass vier Jahre nach dem Verschwinden des Insekts auch der Mensch an der Reihe wäre, um dem sogenannten Colony Collapse Disorder einen apokalyptischen Anstrich zu geben: Zu einleuchtend wirkt der Fall als Menetekel für eine Katastrophe, die in engem Zusammenhang mit einer Ökonomie des Menschen steht, die alles der Effizienz unterordnet.

Der Schweizer Filmemacher Markus Imhoof hat sich in More than Honey nun auf die Spuren dieses Phänomens begeben. Er geht ohne Alarmismus, aber mit persönlich gefärbter Bestimmtheit vor: Selbst Enkel eines Geschäftsmanns, der unter anderem Honig vertrieb, stellt er in seinem Dokumentarfilm zunächst die Bienen und ihr berühmt gut organisiertes Sozialleben ins Zentrum. Man könnte sagen, der Film stellt ein Nahverhältnis mit seinen Protagonisten her, sieht er dem Treiben des Tieres doch aus ungewöhnlichen Perspektiven zu: Makrokameramann Attila Boa liefert spektakuläre Aufnahmen, die Arbeiterinnen beim Flug und Bestäuben begleiten oder tief hinein in die Waben, zur Bienenaufzucht und Königin führen.

Umso dramatischer müssen die globalen Schauplätze wirken, auf denen Imhoof dann nach den Ursachen dafür sucht, warum ganze Bienenvölker sterben. Er strebt dabei nicht nach der einen, letztgültigen Antwort, sondern führt ein ganzes Bündel an Faktoren an. In Kalifornien, wo die Insekten bei der Mandelproduktion eine wesentliche Rolle übernehmen, sind die Folgen einer durch Pestizide gestützten Monokultur besonders drastisch. Täuscht der gewöhnliche Imker die Bienen schon mit dem einen oder anderen Manöver, ist der natürliche Kreislauf hier völlig zur Simulation geworden. Nach getaner Arbeit werden die Bienen auf Lkws verladen und wie ein Nutztier zum nächsten Ort gebracht.

More than Honey bringt Beispiele, die eines Horrorfilms würdig wären, dennoch ist es kein Film, der einseitig kapitalismuskritisch vorgeht. Imhoof sammelt Material, zieht Vergleiche und erforscht Kontexte (auf TV-übliches Nachsynchronisieren von Interviews hätte man jedoch verzichten können). Auch auf idyllischem Schweizer Bergland hat ein Imker Verluste zu beklagen - ein Bild dafür, wie umfassend das Dilemma ist: Bienensterben ist ein Resultat menschlichen Eingreifens, einer Art Domestizierung, die die Widerstandsfähigkeit der Insekten schwinden ließ, sie für Parasiten anfälliger machte.

Ironischerweise sind es die eines Roger-Corman-Films würdigen Killerbienen, in die man nun die Hoffnung setzt: Sie haben sich im Unterschied zu den Industriekolleginnen einen "dicken Pelz" bewahrt.  (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 16.10.2012)