Fireball 2003

Ein illegales Straßenrennen quer durch Norddeutschland. Vorbild: Cannonball – Auf dem Highway ist die Hölle los. Fakten: 650 Kilometer, vier bis kurz vor dem Start geheim gehaltene Checkpoints, 30 Boliden bis Baujahr 1981. Emotionalitäten: Edles Chrom und mächtig Motor. Mit dabei: derStandard.at auf einem Mazda RX-7. Das Vorspiel ist vollbracht. Willkommen in Hamburg. Willkommen im Leben. Und das ist bekanntlich lehrreich ...

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Frauen

interessieren sich grundsätzlich eher nicht so für zerfräste Auto-Kühler und Männer in Straßenkehrer-Panier. Könnte man meinen.

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Vinnie

besitzt einen zerfrästen Kühler, trägt eine schweißige Straßenkehrer-Panier und ... kommt aus Ottnang am Hausruck.

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Trotz dieses katastrophalen Set-ups

wird Vinnie von den Mädels umflirrt wie eine 500 G Schoko-Nuss.

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Denn Vinnie fährt eine 1971er Dodge Coronet.

Genauer: Er fuhr. Kühler-Exitus auf deutschen Autobahnen. Solche Petitessen sind dem 21-Jährigen egal. Ein Gelber Engel hat sein oranges Monster nach Hamburg hoch gehievt.

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Jetzt

steht er am Parkplatz des Motoraver-Headquaters ... und braucht Teile. Viele Teile. Kühler, Schläuche, Lüftungsrad, Kleinkram. Er hat zwölf Stunden Zeit. Dann startet das Rennen. Sein Rennen?

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Knapp 1000 Kilometer

haben Vinnie und sein "Mechanic" Mike hinter sich gebracht. In wenigen Stunden wollen sie zeigen, was es heißt, eine Landstraße zu bügeln. Doch Ottnang Umgebung, ihre Heimstrecke, ist alles andere als das ideale Trainings-Camp, um die Weiten Norddeutschlands zu bezwingen. Da kann der Holztreppenfabrikant noch so bombastisches Mopar-Gerät auffahren, noch so oft "Woaßt, der hod 350 Be Es" deklamieren, noch so beiläufig auf das fette Rennstall-Budget (9500 Euro für die Karre, 5000 Euro für "diverse" Kleinteile) verweisen.
RX-7-Experten-Meinung: Gegen den knackigen Nippon-Racer: keine Chance. Ein Konkurrent weniger. Also: Weiterschrauben, bis ...

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... der Arzt kommt.

Dr. Carsten und Schwester Ilona setzen auf Schocktherapie: Opel Commodore 2,8 im Notarzt-Outfit.

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Den Defibrillator auf vier Rädern

bezeichnet Carsten aus unerfindlichen Gründen "Porno-Commo", auch seine bezaubernde Begleitung Ilona ist sich der wahren Bedeutung ihres Wochenend-Einsatzes noch nicht ganz bewusst: "Ist doch eine Orientierungsfahrt, oder?" fragte sie ihren Doc.

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Der schraubt grinsend das Kennzeichen ab.

Radarfallen-Abwehr. Carsten geht auf Nummer sicher. Der Mann ist in seinem richtigen Leben Alarmanlagenverkäufer.
RX-7-Experten-Meinung: "No Chance" in der Kategorie Leistungsgewicht. Da bleibt der schlanke Mazda außen vor. Sorry, "Porno-Commo" Carsten. Wieder ein Konkurrent weniger.

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Dafür ein Arzt mehr.

Steffen und sein Co-Pilot inszenierten gemeinsam mit Dr. Carsten eine Impuls-Ärzetagung zum Thema "Speed". Steffen sieht zwar so aus, als wäre er samt weißem Kittel und Carrera-Sonnebrille in die Schalensitze seines Porsche 914 hineingeboren worden, die 8.000 Euro für seinen 1973er Porsche hat er aber beim UNIX-Programmieren verdient.
RX-7-Experten-Meinung: Potente Sache, keine Frage. Aber Potenz allein macht noch keinen schneidigen Liebhaber der Landstraße. Ergo: Wieder ein Konkurrent weniger.

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Nettmann

will es noch einmal wissen. Bei der Fireball 2002 blieb sein Ford Capri mit festgefressenen Bremsen liegen und konnte sich nur noch außer Konkurrenz ins Ziel schleppen. Nettmann ist kein Racer.

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Der Capri-Connaisseur

ist gelebte Drive&Style-Philosophie. Spaß, Kreativität, Lifestyle stehen im Mittelpunkt. Rund um die Chromboliden – egal ob deutsche Wertarbeit aus den Siebzigern oder brüllend-bombastische US-Bigblocks - hat sich in den vergangenen Jahren eine bunte Subkultur entwickelt. Nettmann liebt sein Auto. Nettmann liebt Hilly-Billy-Rock. Nettmann hat auch diesmal keine Chance, so die RX-7-Experten-Meinung. Leider. Da ist der Mazda-Hochorgler einfach außen vor. Wieder ein Konkurrent weniger.

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Das RX-7-Racing Team

zieht sich zufrieden in sein Motorhome zurück. Ende der Konkurrenz-Beobachtung. Vorerst. Auf zur Tanke: Wagen bis unter den Rand mit Sprit und Öl voll sprudeln, Lidl-Lunchpaket zusammen komponieren, Schluss-Check von Motor und Zigaretten-Vorräten.

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Es ist der Abend vor dem großen Rennen:

Zeit für den ein oder anderen inneren Monolog. Danach: Taktik-Besprechung, Strategien durcharbeiten, ...

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... den Co-Piloten

auf den Sieg einschwören. Kurzum: Konzentrierte Kontemplation.

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Schließlich:

Einige mollige Erinnerungen an die Lieben zuhause. Gute Nacht.

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Am nächsten Morgen.

Was für ein böses Erwachen: Dicke US-Bigblocks und bis zum Anschlag aufgezwirbelte deutsche Wertarbeit dicht an dicht.

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... und kompetentes

"auf dicke Hose machen" inbegriffen.

Der Motoraver-Parkplatz:

Mit einem Mal ein orgiastisches Fanal in Blech und Chrom.

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Wenigstens Jasmin war da.

Jasmin fährt keinen eschatologischen Racer, sondern einen leicht angegrauten Volvo Amazon. Für das angeschlagene Selbstbewusstsein des RX-7-Teams ein schwacher Trost in schwerer Stunde.

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Ihren Volvo Amazon

hatte die Motoraverin bei der 2002er Fireball auf einen exzellenten 15. Platz pilotiert. "Keine Frage", dass sie auch diesmal wieder beim illegalen Ballyhoo quer durch Norddeutschland mitmacht. Keine Frage, dass auch diesmal ihr Freund den stillen, devoten Co-Piloten geben muss. Jasmin ist übrigens Versicherungskauffrau, einige diesbezügliche Vorurteile sollten dringend einer Revision zugeführt werden.

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Einer Revision

wurde auch der Motor von Normans 73er Taunus zugeführt. Motor-Aus im hohen Drehzahlbereich, so die erste Diagnose. Jetzt, kurz vor dem Start, mussten schnelle Lösungen her.

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Da ist es gut,

wenn man nicht nur Freunde, sondern auch die passenden Handbücher hat. Allein: "Die bringen alles nix, wenn nicht das Richtige drin steht."

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Doch Norman

lässt sich nicht kirre machen. Die Fireball ist für den Essener Pflichtprogramm. Schaden hin oder her: Da wird gefahren "bis der Motor explodiert." Nicht der Hauch eines Lächelns huscht über Normans Lippen, wenn er so etwas sagt. Norman meint es bitterböseernst.

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Nur der kühle Blonde hat die Ruhe weg.

Tobias Meyer, Mastermind von Motoraver-Magazine und Organisator des Spektakels, hat alles im Griff. Dabei wäre das erste Rennen bald das letzte Rennen gewesen. "Das war schon an der Schmerzgrenze, Mann", lässt der hauptberufliche Rechtsanwalt die 2002er-Fireball Revue passieren. "Wir waren den ganzen Tag höllisch angespannt und einfach nur froh, als alle wieder heil zurück gekommen sind. Unmittelbar danach haben wir uns gesagt: So viel Glück hast du nur einmal, nie mehr wieder." Doch die Crowd wollte mehr Illegales. Meyer gab ihnen schließlich mehr Illegales: Fireball 2003 wurde Wirklichkeit.

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Auch für ihn.

Mercedes 500 SE im Arbeitgeberpräsidenten-Trimm. Nichts Milderes als in Blech und Chrom gegossener Krypto-Kapitalismus.

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Dicker Mercedes,

dicke Havanna, dicke Hose – für das Mazda-RX-7-Team ein provokant vorgetragener Aufruf zum Klassenkampf.

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Und der beginnt in genau 30 Minuten.

Der Countdown zum Start läuft. In diesen Minuten könnte nicht einmal ein Atombomben-Schlag die Fireballer von ihrer hehren Mission ablenken.

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Hier herrscht volle Konzentration.

Der Blick der Fireballer verengt sich auf einen imaginären Asphaltstrich. Das Rennfieber greift um sich. Going for Gold.

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Fahrerbesprechung in der Drivers-Lounge.

Motoraver-Helge instruiert: Fahren was geht, als erster ins Ziel kommen, Trophäe und 1.500 Euro-Siegprämie abholen, Party bis zum Abwinken. Alles klar? Alles klar.

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Zur emotionalen Aufmunitionierung

ein kurzes Lehrvideo: "Fireball 2002 – Das Asphaltrennen." Danach Startnummern ziehen, Fahrer-Kit samt Landkarte bei der Rennleitung ausfassen. Zurück zum Wagen und ...

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...Kartenstudium.

Vier Checkpoints: Damshagen, Habernis, Aventoft, Friedriechskoog. Allesamt unbedeutende Kaffs an der Nordseeküste. Dazwischen Landstraßen bis zur untersten Kategorie und einige Meter Autobahn. Gesamtstrecke rund 650 Kilometer.

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Ab diesem Zeitpunkt

lässt sich niemand mehr in die Karten blicken, wird getüfelt, die besten Routen herausgefiltert. Die Zeit ist knapp. Nur noch wenige Minuten bis zum Start.

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Während die anderen

mit dem Finger bereits die Weiten Norddeutschlands abfahren, zerspargelt sich das RX-7-Team an einer Fahrtroute durch Hamburgs City. Ein Hamburger hilft aus. Danke, Hamburger.

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Startaufstellung.

Motor anwerfen. Warm laufen lassen

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Gestartet wird im 15-Sekunden-Takt.

An einer Ausfallsstraße sollen die Bullen stehen, meint einer. Die Warnung verhallt im Nichts. Nervosität. Anspannung. Rennfieber.

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Da! Die ersten starten.

Der Arbeitgeberpräsident pflügt los. Dann wir. Und ab. Gas. Wo ist der Vordermann? Sein Heck wird zum Magneten.

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Im Pulk

geht es durch Hamburgs City. Spurwechsel, Kampf um jeden Meter. Links, rechts aufbrüllende Motoren. Wir sind dabei. Nur einen 911er Porsche müssen wir ziehen lassen.

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RX-7 orgelt Richtung Ausfallstraße.

Wir scheren aus. Nehmen eine Abkürzung. Als wir auf die Autobahn einfädeln, ist von der Meute nichts mehr zu sehen. Sind sie vor uns, hinter uns? Egal. Gas, schalten, noch mehr Gas. RX-7 lässt die Pferde laufen.

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Runter von der Autobahn.

Landstraße. Vor uns eine Auto-Kolonne. Mittendrin die Fireballer. Magnusson prüft die Koordinaten, hat alles fest im Griff. Zivilisten werden ansatzlos überholt, sie gaffen dem blauen Heizkörper nach. Der RX-7 hantelt sich zu den anderen vor. Zum Schluss bleibt ein Dreierpulk. Ford Taunus – RX 7 – noch ein Taunus. Wir tasten einander ab. Versuchen unsere gegenseitigen Stärken und Schwächen auszuloten. Horchen in die Motoren der anderen hinein. "Adrenalin pur" – irgendwann macht jede hohle Phrase Sinn.

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Jetzt, da, eine Gerade.

Kein Gegenverkehr. Raus und in den roten Bereich. Der Taunus hat keine Chance. Bei 7000 Umdrehungen bekommt die RX-7-Wankelturbine die zweite Luft. Wir schneiden vor ihm rein. Doch er lässt nicht locker. Ortsgebiet. Runter vom Gas. Nichtangriffspakt. Ortsende. Weiter geht die wilde Jagd. Magnusson diktiert "Links abbiegen". Wir stechen in die Kreuzung, voll in die Eisen. Plötzlich brüllt der Motor des Taunus dicht hinter uns auf. Zu dicht. Ein Brüllen. Ein Quietschen. Ein Brüllen. Ein RRRRRRUMMS. Der Taunus kracht uns voll in die Seite. Schrecksekunde. Check über den Rückspiegel: Nur Blechschaden. Wir brettern weiter. Auch der Taunus wird im Rückspiegel wieder größer. "Alles klar?" will Magnusson wissen. "Alles klar".

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Wir hetzen weiter.

Rumpeln über untergeordnete Landstraßen. Wenig Verkehr. Leichte Vibrationen am Lenkrad. Woher? Warum? Keine Ahnung. Wir sind kurz vor dem ersten Checkpoint. Vor uns eine abschüssige Gerade. Auf sie mit Gebrüll. Eine Kurve. Anbremsen. Doch das Bremspedal ... fällt ohne Widerstand ins Leere. Instinktiv: Handbremse. Der RX-7 verzögert langsam, aber er verzögert. Eine Bushaltestelle wird zur Rettungsinsel.

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Aus. Ende. Schluss.

Bremssattel frisst Bremsscheibe. Ergo: Bremsdefekt. Ergoergo: Für das RX-7-Team ist die Fireball 2003 vorbei. Wieder nicht im Ziel. Wieder nix. Klassenkampf verloren. Statt Lorbeer und Triumph: ADAC und ...

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... Herr Bauer, Abschlepp-König.

Der selbstbewusste Selfmademan regiert im schmucken Gägelow über ein funkelnagelneues Autohaus samt veritabler ADAC-Lkw-Flotte. Ausländer gelten in dieser Gegend als grundverdächtig. Österreicher sowieso. Der klassische Mecklenburger, und Herr Bauer repräsentiert paradigmatisch diese Spezies, ist wortkarg und fühlt sich nur in der eigenen Gruppe wohl. Fremden Eindringlingen wird Gastfreundschaft erst nach Erbringung diverser Liquiditätsnachweise entgegen gebracht.

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Eine Lebenseinstellung,

die man sich nicht unbedingt gerahmt übers Bett hängen sollte.

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Was blieb,

war eine eher angeschlagene Karre, ...

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... und eine schmachvolle Rückkehr

nach Hamburg. Da war die Party bereits voll im Gang. Der Sieger: Christian auf einem herrlich gestriegelten ...

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... Alfa Romeo 2000 Berlina.

Wie er mit dieser ausgewiesenen Heckschleuder überhaupt die Straße treffen kann, bleibt wohl für immer sein Geheimnis, ein anderes gab er preis: "Das wichtigste war die Navigation. Ich bin die ganze Zeit allein gefahren. Kein anderer Fireballer weit und breit. Und als ich wieder in Hamburg angekommen bin, ...

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Danach war "richtig fette Party",

wie der Norddeutsche zu sagen pflegt.

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Auch für den Arbeitgeberpräsidenten.

Er kam als Letzter ins Ziel. Sein Benz hatte mehr Öl als Benzin verbraucht. Gemächlicherer Vortrieb war die Konsequenz, eine kleine Spontanfeier nach der Ankunft die Folge.

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Nur das RX-7-Team

konnte und wollte sich der kollektiven Ekstase nicht anschließen. Zu groß war die Ambition, zu schmachvoll die Niederlage. Über die milde Depression konnten selbst gefällige Burnouts nicht hinweghelfen. Aber das RX-7-Team zeigt selbst in der Niederlage noch Grandezza. Darum jetzt, hier und weltexklusiv:

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Tolle Verlosung von supertollen Preisen:

Ein scharfes original T-Shirt "Fireball 2003", ein cooler Schlüsselanhänger, ein praktischer Reifenprofiltiefenmesser und ein exzellentes Kondom hat nach der richtigen Beantwortung der Frage "Liebt Herr Bauer Plüsch-Löwen oder Barbie-Puppen?" der folgende Gewinnspiel-Kombatant gewonnen.

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Bis zum nächsten Mal.

(kommunikaze/magnusson)

Link
Motoraver.de

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