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Auch am Ende der Weltbanktagung in Tokio gab es Proteste gegen die Macht von Währungsfonds und Weltbank. Bis die Europäische Zentralbank mehr Macht bekommt, wird es noch dauern.

Foto: Reuters/KIM KYUNG-HOON

Tokio - Die Ankündigung wurde als Meilenstein zur Lösung der Eurokrise verkauft: Die EU-Regierungschefs einigten sich Ende Juni auf eine neue Architektur der Bankenüberwachung in Europa. Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte die Oberaufsicht über die Kreditinstitute in der Eurozone übernehmen.

Als fast noch wichtiger galt die Ankündigung, die maroden spanischen und später vielleicht auch irischen Banken direkt zu rekapitalisieren - das heißt, ohne die Staatsfinanzen der beiden Länder damit zu belasten. So sollte "der Teufelskreis" zwischen Bank- und Staatsschulden in Europa erstmals durchbrochen werden.

Bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Tokio ruderten die EU-Vertreter am Wochenende aber kräftig zurück. Die Aufsicht soll deutlich später kommen, ob Madrid und Dublin noch auf Entlastung hoffen dürfen, ist völlig offen. Teils verhindern politische Streitereien, teils praktische Schwierigkeiten die Umsetzung der EU-Pläne.

Zeitplan für neue Aufsichtsstruktur

Die Kommission hat vorgeschlagen, dass die neue Aufsicht Anfang 2013 ihre Arbeit aufnimmt. Die EZB sollte zunächst nur die mit Staatsgeldern geretteten Banken und große Institute überwachen. Inzwischen klingt das Wording anders. EU-Vertreter betonten in Tokio, dass es bereits ein Fortschritt wäre, stünde bis Anfang 2013 ein Zeitplan für die neue Aufsichtsstruktur. EZB-Chef Mario Draghi bezeichnete Anfang 2014 als Starttermin. "Die EZB hat vier Jahre nach der Grundsatzentscheidung gebraucht, bis sie als Notenbank operativ tätig werden konnte. Jetzt soll sie in wenigen Monaten die Aufsicht über 6200 Banken übernehmen? Das ist unrealistisch", sagte die Chefin der deutschen Bankenaufsicht Bafin, Elke König, dem Standard.

Im Hintergrund tobt ein Streit über die neue Rolle der EZB: Die deutschen Sparkassen legen sich quer. Offiziell, weil sie die zentrale Aufsicht als ersten Schritt zur Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung in der Eurozone sehen. Inoffiziell dürften sie strengere Auflagen fürchten, wenn sie außerhalb Deutschlands überwacht werden. Länder außerhalb der Eurozone, die nicht bei der gemeinsamen Aufsicht mitziehen, fürchten, mit der EZB bald einem übermächtigen Regulator gegenüberzustehen. Während Deutschland und Österreich aus genannten Gründen auf der Bremse stehen und noch großen Klärungsbedarf sehen, drängen die Südländer, vor allem Spanien, zur Eile. Erst wenn die Bankenaufsicht steht, darf der Eurorettungsschirm Kreditinstitute direkt rekapitalisieren. Da es noch mindestens 14 Monate dauert, bis die Aufsicht operativ wird, muss Spanien die Kosten für die Bankenrettung doch selbst tragen. Es geht um immerhin 100 Milliarden Euro - fast zehn Prozent der spanischen Wirtschaftsleistung.

Eine Möglichkeit wäre, die Kosten für die Rekapitalisierung Spanien später abzunehmen. "Dazu gibt es allerdings noch keinerlei politische Einigung", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn dem Standard. Der Chef der Oesterreichischen Notenbank, Ewald Nowotny, brachte in Tokio eine neue Variante ins Spiel: Die EZB könnte in Falle Spaniens die Expertise privater Prüfer zukaufen, bis sie selbst die Aufsichtsfunktion wahrnehmen kann. "Die EU hat versprochen, mit der Bankenaufsicht den Teufelskreis zwischen Staats- und Bankschulden zu durchbrechen. Wenn man sieht, dass sich das nun verzögert, wird das zum Problem", sagte Nowotny. Ob der Vorschlag umsetzbar und von der Politik gewünscht wird, müsse geprüft werden.

Gerüchte um Spanien

Zumindest eine Frage wurde in Tokio von Diplomaten geklärt: Die EZB hat Anfang September ihre Bereitschaft angekündigt, unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen, die ein Programm mit dem Rettungsschirm vereinbaren. Spanien kommt das zugute; doch weil Madrid bisher keinen Antrag gestellt hat, entstand der Eindruck, Madrid wolle es vielleicht ohne Hilfe probieren. EU-Diplomaten erzählen die Geschichte nun aber anders: Madrid hätte den Antrag schon gestellt, in Wahrheit wolle Deutschland, dass man noch zuwartet. Zuerst soll Klarheit herrschen, wie viel Geld Athen noch braucht, dann muss mit Zypern ein weiteres Hilfspaket geschnürt werden. Um mehrere Abstimmungen im Bundestag zu vermeiden, will die deutsche Regierung über alle drei Länder gemeinsam abstimmen.

Stichwort Athen: Griechenland will sich diese Woche mit seinen internationalen Geldgebern auf ein neues Sparpaket einigen. Bis zum EU-Gipfel am 18. und 19. Oktober werde Griechenland seine Differenzen mit der Troika überbrückt haben, sagte der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras am Sonntag. Laut Spiegel unterstützt die Troika einen Aufschub neuer Sparmaßnahmen für Athen um zwei Jahre; ein solcher würde 30 Milliarden Euro kosten. (András Szigetvari, DER STANDARD, 15.10.2012)