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Werner Faymann bei der offiziellen Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses.

Foto: APA/ ANDREAS PESSENLEHNER

Wien - Werner Faymann bleibt SPÖ-Chef, die Begeisterung in den eigenen Reihen für den Vorsitzenden ist aber im Sinken. Beim "Gerechtigkeit"-Parteitag im St. Pöltener "Veranstaltungszentrum" konnten sich nur 83,4 Prozent für die zweite Wiederwahl des Kanzlers erwärmen, das schlechteste Ergebnis eines SPÖ-Chefs in der jüngeren Parteigeschichte. 2010 hatten sich noch 93,8 Prozent der Delegierten für Faymann ausgesprochen. Auffallend: Die Delegierten kühlten ihr Mütchen vornehmlich an der Urne, in der mehrstündigen Globaldebatte war höchstens sachte Kritik am Kurs des Parteichefs laut geworden.

Einigermaßen gefasst hat Faymann auf sein enttäuschendes Abschneiden bei seiner Wiederwahl als Parteivorsitzender der SPÖ reagiert. In seinen Abschlussworten meinte der Kanzler, er müsse einfach jene 85 Delegierten, die ihn nicht gewählt hätten, davon überzeugen, dass "unser Kurs richtig ist". Sein Appell an den am Ende nur noch schütter besuchten Parteitag: "Gemeinsam sind wir nicht zu schlagen."

Mehr als sauer zeigte sich der oberösterreichische SPÖ-Chef Josef Ackerl über jene Delegierten, die Faymann gestrichen hatten. Vom Vorsitz aus meinte er, ihm sie nicht egal, "wie man heute mit dem Vorsitzenden umgegangen ist". Dass Faymann gestrichen worden sei ohne vorangegangene Diskussion, was nicht gefalle, sei "feig, feig feig". Offenbar "können wir es nicht ertragen", nicht in Opposition zu sein: "Es ist eine Schande, was da heute abgelaufen ist."

Leitantrag für "mehr Gerechtigkeit"

Eigentlich hätte der Parteitag voll auf das Thema "Mehr Gerechtigkeit" fokussiert sein sollen. Darunter versteht die SPÖ ein wenig Umverteilung. Den Reichen über Millionärssteuern etwas nehmen und damit den Armen das Leben ein wenig erleichtern. Dazu wurde auch ein Leitantrag verfasst, der sich für die Einführung von Vermögens-, Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer ausspricht und der mit großer Mehrheit angenommen wurde.

So richtig motiviert wurden die Delegierten in der Sache durch die knapp vor dem Parteitag erschienene Anti-Reichen-Steuer-Fibel der ÖVP, die selbst sonst rhetorisch zurückhaltende Gemüter wie Finanzstaatssekretär Andreas Schieder zu kecken Attacken auf den Koalitionspartner hinriss. ÖVP-Politiker wie Finanzministerin Maria Fekter verteidigten wohl die Erbschaftssteuer, weil für sie mit Fleiß und Intelligenz nicht so viel zu holen sei, ätzte Schieder in Richtung seiner "Chefin". Oberösterreichs SPÖ-Chef Josef Ackerl nahm den Ball auf. Die Volkspartei sieht er in einem "bemitleidenswerten intellektuellen Zustand".

"Raubersgeschichten in der ÖVP-Fibel"

Faymann selbst gab sich feiner und spottete bloß ein wenig über die ÖVP-Fibel, in der seitenlang "Raubersgeschichten" verbreitet würden. Ihm persönlich bedeuteten dagegen die Sorgen der jungen Arbeitslosen mehr als die Sorgen der Reichen vor einer Reichensteuer. Kräftig beworben wurde von der SPÖ auch die neu vereinbarte Finanztransaktionssteuer, zu deren Rühmung auch Ehrengast Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, antrat.

"So blöd sind wir nicht"

Eher überraschend kam, dass Faymann die Inseraten-Affäre von sich aus ansprach. Man könne der Meinung sein, dass zu viel inseriert wurde, es könne aber nicht so sein, dass der "politische Mitbewerber" meine, seine Inserate seien die guten und die der SPÖ die schlechten: "So blöd sind wir nicht". Die SPÖ lasse sich jedenfalls von den anderen Parteien, "die im Sumpf stecken", in nichts hineinziehen, wetterte der SPÖ-Chef, begleitet von höflichem Beifall.

Kritik an Wehrpflicht-Schwenk

Dass er den U-Ausschuss nicht besucht hat, dürfte ihm trotzdem der eine oder andere nicht verziehen haben. Seine 83,43 Prozent sind ein historisch schlechtes Ergebnis. Bisher hatte Fred Sinowatz mit 88 Prozent den Minusrekord gehalten. Außer Faymann wurde noch Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller wohl wegen ihres Jas zu Studiengebühren abgestraft. Sie erhielt im Vorstand bloß 86,6 Prozent. Klubchef Josef Cap musste sich mit 88,7 Prozent begnügen, wohl auch wegen seiner Verteidigung des Nicht-Erscheinens Faymanns vor dem U-Ausschuss.

Informationspolitik zur Wehrpflicht

Zur parteiinternen Debatte beigetragen hatte wohl auch der von oben dekretierte Schwenk zur Wehrpflicht, dem von Wehrsprecher Stefan Prähauser über Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden bis hin zu Alt-Kanzler Franz Vranitzky viele bekannte Gesichter in der Partei nicht folgen wollen. Freilich fand sich dann am Parteitag kein einziger Redner, der sich zur Wehrpflicht bekannte - möglicherweise auch wegen einer schon Freitagabend anberaumten nicht-öffentlichen Aussprache mit Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ). Lediglich zwei weitgehend unbekannte Redner aus Niederösterreich ärgerten sich über die Informationspolitik der Partei. Darabos selbst warb als letzter Redner einmal mehr für sein "Profi-Heer"-Modell. Ihm ist die Partei offenbar nicht böse. Bei der Vorstandswahl kam Darabos auf gute 94,2 Prozent.

Abgestimmt wird über die Wehrpflicht in St. Pölten freilich ohnehin nicht, ebenso wenig über das zweite parteiinterne Streitthema, die Studiengebühren. Dafür wurde mittels eines Initiativantrags noch der Wunsch eingebracht, spätestens in der nächsten Legislaturperiode parlamentarische Untersuchungsausschüsse zum Minderheitenrecht zu machen.

Ja zum Verbot des "kleinen Glücksspiels"

Was die Arbeitswelt angeht, spricht sich die SPÖ in einem Leitantrag für Anreize zu einem längeren Erwerbsleben aus. In der Bildungspolitik setzt die Partei auf die Gesamtschule und den Ausbau von ganztägig verschränkten Betreuungseinrichtungen "vom Kleinkind bis zur Oberstufe". Ebenfalls durchgewunken wurde ein Antrag, das "kleine Glücksspiel" bundesweit zu verbieten. Fix ist auch die Ausarbeitung eines neuen Parteiprogramms. (APA, 13.10.2012)