Bild nicht mehr verfügbar.

Hisbollah-Chef Nasrallah ist stolz auf die Drohne.

Foto: APA/EPA

Beirut/Wien - Die undankbare Nachbearbeitung fiel am Freitag Libanons Staatspräsidenten Michel Sleiman zu: Dass die Hisbollah eine Drohne in den israelischen Luftraum geschickt habe, zeige, wie wichtig eine Verteidigungsstrategie für den Libanon wäre, die auch die Fähigkeiten des "Widerstands" (d.h. der Hisbollah) managt und dem libanesischen Staat zur Verfügung stellt. Erklärung: Wenn es gegen Israel geht, wird der Präsident die Hisbollah nicht offen kritisieren, aber zumindest andeuten, dass das Gewaltmonopol eigentlich beim Staat liegen sollte. Auch Uno-Sicherheitsratsresolutionen verlangen ja die Entwaffnung aller Milizen im Libanon: Das bleibt jedoch Wunschdenken.

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte Donnerstag in einer Rede bestätigt, dass die unbewaffnete, aber waffenfähige Drohne, die die israelische Luftwaffe vor einer Woche über der Negev-Wüste abschoss, von der Hisbollah auf den Weg geschickt worden war. Sie sei im Iran hergestellt, aber im Libanon zusammengebaut worden.

Israel ließ am Sonntag danach vier Kampfjets eine Stunde lang über dem Libanon kreisen: Israelische Luftraumverletzungen im Libanon sind auf der Tagesordnung, aber es ist auch nicht die erste Hisbollah-Drohne über Israel - 2005 und 2006 gab es Episoden über Nordisrael und über israelischen Territorialgewässern. Aber so weit vorgedrungen ist noch keine, laut Nasrallah auch in die Nähe von "sensiblen Anlagen" - den Atomanlagen in Dimona.

Politisch angeschlagen

Die Befürchtung gibt es schon lange, dass die Hisbollah einen Konflikt mit Israel vom Zaun brechen könnte, um von den eigenen Problemen abzulenken, etwa vom Uno-Sondertribunal, das Hisbollah-Mitglieder für das Attentat gegen Expremier Rafik al-Hariri im Jahr 2005 verantwortlich macht. Die Schiitenmiliz hat jedoch auch einen Reputationsverlust durch ihre Allianz mit dem syrischen Regime zu verzeichnen. Ihr volksnahes Image auf der arabischen Straße hat gelitten, ihre Spannungen mit den libanesischen Sunniten, die auf der Seite der syrischen Rebellen stehen, verschärfen sich.

So sehr die Libanesen über Syrien gespalten sind, so wenig wollen die politischen Lager aber eine Eskalation. 2013 soll es Parlamentswahlen geben, und niemand will an einem neuen Bürgerkrieg schuldig werden.

Nasrallahs Rede ist in diesem Zusammenhang durchaus als vorsichtige Distanzierung vom Assad-Regime zu lesen. Er betonte, dass die Hisbollah, obwohl das Regime das wolle, nicht als Organisation im Krieg in Syrien kämpfe - nur Individuen seien im Einsatz, auf der syrischen Seite der durch die libanesisch-syrische Grenze zerschnittenen Schiitengebiete, die unter dem Druck der Rebellen stehen. Ungeachtet aller regionalen Entwicklungen lasse sich die Hisbollah aber nicht vom Hauptfeind, Israel, ablenken.

Am Syrien-Engagement der Hisbollah gibt es keine Zweifel, aber es dürfte begrenzt sein, jedenfalls nicht größer als in Summe jenes von libanesischen Sunniten aufseiten des Aufstands.

Aber Nasrallah hat noch eine Botschaft: Mit dem offenen Hinweis auf die iranische Herkunft der Drohne betont er die Allianz, die nicht nur die Hisbollah stark macht, sondern auch im Fall eines israelischen Angriffs auf den Iran schlagend würde. Ans Ausland gerichtet konterkariert sie im Libanon selbst Nasrallahs Versuch, sich als Patriot zu gebärden. Denn er würde den Libanon ohne Wimpernzucken in einen israelisch-iranischen Krieg hineinziehen. (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 13.10.2012)