Gute Stimmung? Schlechte Stimmung? Da scheiden sich die Geister. Die Expo Real war auch heuer wieder ein Markt der Eitelkeiten, auf dem nur wenige Player über den Tellerrand der aktuell erzielbaren Rendite hinausblickten.

Am Mittwoch ging in München die 15. Expo Real, eine der wichtigsten Immobilienmessen Europas, zu Ende. Die Stimmung ist geknickt. Viele Aussteller haben Mobiliar und Modelle des Vorjahres aus der Schublade gezogen, manche Stände wirkten vergessen und verwaist, generell schien es, dass der Wettbewerb um das aufwändigste und exotischste Buffet unter den insgesamt 1700 Ausstellern heuer mehr wog als jener um das beste und lukrativste Bauprojekt.

Foto: Putschögl

Bisweilen wähnte man sich auf der Expo Kulinaria. Es roch vorzüglich.

Foto: Putschögl

Doch auch im Kerngebiet der Immobilienbranche wurde eifrig gekämpft. Manche Developer und Investoren fochten diesen Kampf sogar mit allen erdenklichen Mitteln aus. Ljubljana etwa stellte seine Pläne für den 20-stöckigen "Lingam Tower" vor, der mit etwas Glück Ende 2015 eröffnet werden könnte. Shivas Freunde wissen, dass es sich bei diesem Sanskrit-Wort um die Bezeichnung für die männliche Pracht im Schritt handelt. Das Motto "Sex sells" hält damit nun auch in dieser Branche Einzug.

Foto: Expo Real

Patricia Majer Bajt, Projektentwicklerin und Direktorin der Lingam d.o.o., sieht die lächelnden Reaktionen der großteils männlichen Immobilien-Kollegen gelassen: "Lingam ist im Hinduismus ein Ausdruck für Abbruch und Wiederaufbau. Das entspricht unserem Projekt. Wenn einige Investoren dabei an etwas anderes denken, dann ist das immerhin eine gute PR."

Foto: Expo Real

"Der Markt ist generell kleiner geworden", bestätigt Peter Wallner, Chief Operating Officer Germany von Jones Lang LaSalle, im Gespräch mit dem STANDARD. "Meiner Beobachtung nach gibt es auf der diesjährigen Messe weniger internationales Publikum. So gesehen würde ich sagen, dass die Expo 2012 dem Zustand der europäischen Immobilienmärkte geschuldet ist." Während der Markt für Projektentwickler schwieriger geworden sei, floriere jedoch jener der Dienstleister. Wallner: "In Zeiten von Unsicherheit werden Dienstleistungen verstärkt in Anspruch genommen. Ich gebe zu: Für Jones Lang LaSalle ist die Krise durchaus eine Umsatz- und Jobmaschine."

Foto: Putschögl

Zurück zum Kerngeschäft

Auch Pieter Hendrikse, CEO von CBRE Global Investors, gibt zu bedenken: "Nun hat mit einiger Verspätung auch die Immobilienbranche verstanden, dass wir uns in einer Krise befinden, und in einer Krise muss man umdenken." Viele Investoren hätten sich in den letzten zehn Jahren zu weit aus ihrer Komfortzone gelehnt. CBRE Global Investors, mit 91,2 Milliarden US-Dollar in Assets einer der größten Investment-Manager der Welt, hat nun das gemacht, was Hendrikse auch anderen rät: sich wieder auf das eigene Kerngeschäft zu konzentrieren.

Foto: Expo Real

Und so bewegen sich die meisten Projekte, die auf der Expo Real 2012 ausgestellt wurden, im Bereich von Office- und Retail-Immobilien - wenngleich einige der Projekte, für die man letztes Jahr noch eifrig Mieter suchte, heuer bereits "on hold" sind. Zu den optisch und in energetischer beziehungsweise haustechnischer Hinsicht auffälligsten Shoppingcenter-Entwicklungen in Europa zählen beispielsweise der Hofgarten in Solingen (100 Millionen Euro, Sonae Sierra in Zusammenarbeit mit MAB Development), die Neue Mitte Garbsen bei Hannover (120 Millionen Euro, Sonae Sierra), der neue Hauptbahnhof im polnischen Poznan mitsamt anschließendem EKZ mit 65 Prozent Vorvermietungsstand (160 Millionen Euro, Trigranit) sowie ...

Bild: Shoppingcenter "Neue Mitte Garbsen" bei Hannover von Sonae Sierra, Baubeginn "bald".

Visualisierung: Sonae Sierra

... die Mall of Scandinavia ("M") in Stockholm (580 Millionen Euro, Unibail-Rodamco). Das "M" wird 2015 eröffnet und wird mit 101.000 Quadratmetern Verkaufsfläche und 230 Shops das größte Shoppingcenter der skandinavischen Halbinsel sein. Angestrebt ist die Green-Building-Zertifizierung "Excellent" nach dem britischen Bewertungssystem breeam.

Foto: Wingårdh Arkitektkontor AB

"Das sind gute Aussichten", sagt Eugen Egetenmeier, Geschäftsführer der Messe München International, auf Anfrage des STANDARD. "Die Stimmung auf der Expo Real 2012 war sehr gut. Wir hatten 38.000 Besucher, etwas mehr als letztes Jahr, und deutlich mehr Aussteller. Von schlechter Stimmung habe ich nichts bemerkt. Der Süden schwächelt zwar, aber auf den mittel- und nordeuropäischen Märkten ist die immobilienwirtschaftliche Welt längst wieder in Ordnung." Nur eines: "Projekte mit 95 Prozent Bankenfinanzierung sind Geschichte. Ohne 50 Prozent Eigenkapitalquote kommt man heute nicht mehr weit."

Foto: Expo Real

Zumindest spiegelt sich Egetenmeiers Einschätzung in der Statistik der Aussteller wider: Die drei am stärksten vertretenen Länder sind Deutschland auf Platz eins, gefolgt von Österreich (75 Aussteller, 2011: 67) und Polen (55 Aussteller, 2011: 45), wobei auf dem Messestand Wien vor allem das Quartier Belvedere, das rund um den neuen Hauptbahnhof errichtet wird, gefeiert wurde.

Foto: Expo Real

Polen wiederum, das in Europa die am stärksten wachsende Immobilienwirtschaft aufweist, präsentierte eine Vielzahl an Shoppingcentern und Logistikimmobilien, die im ganzen Land entwickelt werden. Viele davon sind bereits in Bau.

Foto: Expo Real

Immer noch attraktiv: Polen

Hauptaugenmerk galt jedoch der Hauptstadt. "Bis vor kurzem war Warschau noch ein einsamer grüner Fleck auf der Landkarte", meint Marcin Juszczyk, Vorstandsmitglied und Head of Investment bei Capital Park. "Diese Zeiten sind zwar vorbei, aber immer noch zählt Warschau zu den attraktivsten Standorten Europas." Im Gegensatz zu Restpolen, wo vor allem Retail-Projekte errichtet werden, ist Warschau ein heiß umkämpfter Bürostandort. Der Bedarf ist enorm. Bis 2016 sollen nach Auskunft von Vizebürgermeister Michal Olszewski die Büroflächen von drei auf sechs Millionen Quadratmeter verdoppelt werden.

Foto: Expo Real

Was macht Polen so attraktiv? "In Westeuropa haben die Renditen mit 4,5 bis maximal fünf Prozent den Deckel erreicht", erklärt Stefan Brendgen, CEO der Allianz Real Estate Germany GmbH. "In Polen jedoch sind Renditen im Bereich von 6,5 bis sieben Prozent keine Seltenheit. Da ist noch viel Potenzial."

Foto: Expo Real

Erst kürzlich erwarb die Allianz im Warschauer Platinum Business Park fünf Bürogebäude für 173 Millionen Euro und kurz darauf das Warsaw Financial Center (WFC) für 210 Millionen Euro (Konsortium mit Tristan Capital Partners, Anteil Allianz 87,5 Prozent). Die Aussichten bei allen Marktteilnehmern sind überaus positiv. Polen wird als Immobilien-Paradies gewürdigt. Wie lange noch? "Ach, ein paar Jahre wird das noch anhalten", meint eine Stimme, die anonym bleiben möchte. Und dann? "Ach, dann werden wir schon sehen."

Foto: Expo Real

Bis dahin schlägt man sich am Buffet Immobilienmarkt die Bäuche voll. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 13./14.10.2012)

Foto: Expo Real