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Ganz selten nur gelingt es Elisabeth Brunnbauer, mit Willenskraft ihrem nächtlichen Heißhunger zu widerstehen.

Elisabeth Brunnbauer leidet seit mehreren Jahren unter dem Night-Eating-Syndrom (NES). Den Schlüssel für ihre Sucht versucht sie mit Hilfe einer Verhaltenstherapie zu finden.

derStandard.at: Sie leiden schon seit mehreren Jahren unter NES. Haben Sie schon herausgefunden, was die Auslöser Ihrer nächtlichen Hungerattacken sind?

Brunnbauer: Ich bringe eine Vielzahl von Dingen damit in Zusammenhang: schlechter Schlaf, Stress, spätes Abendessen, Einsamkeit, depressive Verstimmung, tatsächlicher Hunger, zu geringe Kohlenhydrataufnahme tagsüber beziehungsweise zu hohe Kohlenhydrataufnahme abends mit nachfolgend nächtlichem Blutzuckerabfall ähnlich Diabetikern. Möglicherweise handelt es sich aber auch um einen Automatismus, eine Gewohnheit, der ich Nacht für Nacht Folge leiste.

derStandard.at: Haben Sie eine Möglichkeit gefunden, die Attacken zu verhindern?

Brunnbauer: Das Verlangen nach Essen ist fast jede Nacht präsent. Auch wenn ich nichts esse, denke ich beim Aufwachen oft daran, dass ich etwas essen könnte. Zu Hause kann ich meine nächtlichen Fressattacken meist nur durch das Absperren der Küche verhindern. Ganz selten gelingt es mir mit Willenskraft, dem Hunger zu widerstehen. Wenn ich mich allerdings in fremder Umgebung befinde, fällt es mir leichter, nachts nicht zu essen.

derStandard.at: Gibt es Experten, die helfen können?

Brunnbauer: Ich habe noch keinen gefunden. Auch ein Termin mit einem Experten in Dortmund war sehr enttäuschend. Ich hatte den Eindruck, dass er meine persönlichen Beobachtungen nicht ernst nimmt. Meines Erachtens hat er mit mir einen "Standardfragekatalog" abgearbeitet.

derStandard.at: Wie wurde Ihnen bis dato geholfen?

Brunnbauer: Ich habe über ein halbes Jahr Serotonin-Wiederaufnahmehemmer genommen, also Antidepressiva eingenommen. Gebracht haben sie nichts. Im Moment mache ich eine Verhaltenstherapie - noch mit mäßigem Erfolg. Aber ich denke, der Schlüssel liegt wie bei jeder anderen Sucht in einer Verhaltensänderung, wobei gleichzeitig die Ursache gefunden und ausgeschaltet werden muss.

derStandard.at: Das ist Ihre persönliche Interpretation?

Brunnbauer: Ja, ich habe viel im Internet, in den Foren recherchiert. Um NES zu besiegen, bedarf es einer Lebensänderung, zu der man bereit sein muss. Wie jede andere Essstörung oder Sucht auch ist NES für mich ein Zeichen, dass etwas im Leben schiefläuft. Betroffene wollen sich aber oft nicht damit auseinandersetzen. Häufig ist NES auch eine Ablenkung von Problemen im Alltag, denen man eben aus dem Weg gehen will.

derStandard.at: Was raten Sie Betroffenen?

Brunnbauer: Mittlerweile bin ich der festen Überzeugung, dass es nur einen Weg gibt: Man muss sich den teils unterbewussten Problemen stellen. Dazu kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Fakt ist für mich, das Essverhalten muss generell verändert werden. Regelmäßig über den Tag verteilt und in Maßen essen ist die Lösung. Ebenso macht es Sinn, Schlafhygiene zu betreiben.

Letztlich muss jeder die Verantwortung für sein Leben selbst tragen und die Kraft entwickeln, etwas zu verändern. Erst wenn man wirklich verstanden hat, wird sich etwas ändern - ganz einfach, weil man es will. (Gabriele Poller-Hartig, derStandard.at, 12.10.2012)