Dezentes Fahrzeug, verhaltene Werbung: Der DAF 66 in seiner ganzen Pracht.

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Der Vorgänger DAF 55. Die Dame ist zurecht skeptisch.

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Eine Idee, geboren für Rückwärtsrennen: Die DAF-Variomatic.

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Zwei Niederländer, bereits als Volvo 66 im Einsatz.

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Da staunt sogar der Flugkapitän: Dieser Wagen hat einen Kofferraum.

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Unscheinbar war er, bis an die Grenze zur Unsichtbarkeit. Dennoch wurde er zur Witzfigur. Der DAF 66. Vor 40 Jahren, im Herbst 1972, kam das dezente Vehikel auf den Markt. Mehr als eine künstliche Verlängerung des Leidenswegs der niederländischen Automobilindustrie sollte der Wagen nicht werden.

Zwar hatte man bei der in Eindhoven beheimateten DAF (Van Doorne's Automobiel Fabriek N.V.) einige Ambition an den Tag gelegt, um den antiquierten Vorgänger DAF 55 aufzumöbeln, schlussendlich ploppte dennoch nur Betuliches vom Band. Der eigens verpflichtete italienische Stardesigner Giovanni Michelotti (Triumph Herald, Spitfire und Stag) hatte nicht gerade seinen besten Tag erwischt, als er die Silhouette von Limousine, Coupé und Kombi hinzeichnete. Mit nüchternen Linien zitierte er die neue Sachlichkeit. Ein Renault 5 oder ein Autobianchi A 112 wirkten im Vergleich nachgerade peppig.

Ein Hasardeur

Technisch setzte das Modell auf bemühten Durchschnitt. Die antiquierte Pendelachse wurde zwar durch eine De-Dion-Hinterachse ersetzt und eine servounterstützte Bremsanlage war beim Einstiegsmodell Serie – doch dann war auch schon Schluss mit Innovation. Der Hinterradantrieb des 66 gehörte in dieser Klasse nicht mehr zum guten Ton. Bestenfalls Vorwärtsdrang symbolisierte der von Renault zugekaufte 1,1-Liter-Vierzylinderbenziner mit 46 PS, der das schmale, hochbeinige Wägelchen auf 135 km/h beschleunigte.

Etwas rescher gingen es die Marathon genannten Edelversionen mit 54 PS an, die den Wagen auf 145 km/h bugsierten. Top of the Pops: ein 1,3-Liter-Vierzylinder, ebenfalls von Renault, mit 57 PS. Unter dem Marathon rangierten die Versionen "De Luxe" (Trommelbremsen + Vinylsitze) und "Super Luxe" (Scheibenbremsen vorne, Stoffsitze). Bemerkenswert: Selbst den Kombi gab es nur als Dreitürer. Ganz gleich in welcher Form: Ein Beau war dieser Wagen nicht – eher schon ein Hasardeur des Rückwärts-Einparkens.

Mit erstaunlicher Konsequenz hatten die Eindhovener ihr bereits im Vorgänger eingesetztes stufenloses und vollautomatisches Getriebe, die Variomatic, auch im 66er eingebaut. Der Riemenantrieb war für sich genommen genial und ist – verfeinert und weiterentwickelt – ein legitimer Urahn aktueller CVT-Getriebe.

Achteruitrijde!

Damals hingegen war die preiswerte, aber effiziente Technik vor allem für ihre einfache Bedienung bekannt. Ein Vorwärts- und ein Rückwärtsgang. Mobilität fertig. Das eigenwillige Antriebssystem bescherte dem 66 hingegen auch eine legendäre Eigenschaft, für die er schließlich berühmt werden sollte: Er konnte gleich schnell vorwärts wie auch rückwärts fahren. Ein Charkteristikum, das die nicht unfaden Holländer in einem außergewöhnlichen Bewerb umzusetzen wussten. Dem Rückwärtsrennen.

Allein: Das Gaudium währte in aller Regel nur bis zur ersten Kurve. Dann setzte es aufgrund der umgekehrten Lenkgeometrie meist grandiose Überschläge. Ohne Not wurden bis in die 80er herauf bei den AVRO-Achteruitrijden die DAF-Bestände dezimiert.

Ein Akt kollektiver Psychohygiene, offensichtlich. Schließlich markierte der Wagen das Ende einer nationalen Institution, der stolzen Pkw-Marke DAF. 1975 hängte sich Volvo den holländischen Klotz ans Bein und stoppelte den Eindhovener mithilfe von wuchtigeren Stoßstangen, Sicherheitslenkrad und einem neuen Logo im Kühler zum Schweden um. Bis 1980 blieb der Volvo 66 im Programm. Dann war Schluss für den Biedermann. In Erinnerung bleiben ein braver, niederländischer Kleinbürger – und der Mythos als Rückwärtsracer. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 14.10.2012)