Abtauchen ins Land der Träume. Das Thema Kinderschlaf polarisiert.

Foto: http://istockphoto.com/Fertnig

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Sandmännchen, Säulenheiliger der Schlafmützen. Seine Gute-Nacht-Geschichten gingen 1959 erstmals auf Sendung.

Foto: Sven Kaestner/AP

Das Thema Kinderschlaf polarisiert und weckt Emotionen - vielleicht gerade weil es so alltäglich ist. Man kennt die Jungeltern mit den dunklen Schatten unter den Augen, die mit matter Stimme von durchwachten Nächten berichten. Die kreativen Verzweifelten, die irgendwann zu Schlafhilfen mit zweifelhaftem Nutzen greifen. Die seltenen Berichte jener, deren Kinder brav ein- und durchschlafen. Und die neiderfüllten Blicke derer, die dieses Glück nicht haben. Wer damit angeben kann, dass sein Kind selig ein- und durchschläft, gilt insgeheim oft als die bessere Mutter oder der bessere Vater. Man unterstellt diesen Eltern, den Dreh mit der Erziehung raus zu haben.

Honigmilch und Autorunden

"Unsere Meinung, wie Kinder einschlafen sollen, spiegelt Annahmen über die Natur des Kindes und seine bestmögliche Förderung wider", so Herbert Renz-Polster in seinem 2009 erschienen Buch "Kinder verstehen." Hinter jedem "Schlafarrangement" blitze auch ein Stück Erziehung hervor.

Wie eine Gesellschaft mit dem Thema Kinderschlaf umgeht, erzählt auch etwas über ihren generellen Umgang mit Kindern. Was wir "gut" und "normal" finden, sei jedenfalls nicht unabhängig von sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen. In den Ländern des Südens ist es üblich, dass Kinder bis spätabends am familiären und sozialen Leben teilnehmen und lange aufbleiben. Gleichbleibende Routinen und ritualisiertes Einschlafen sind dort weniger verbreitet als in westlichen Ländern

In Europa und den USA geht man eher davon aus, dass Kinder in ihrem eigenen Bett einschlafen sollen - und das möglichst immer zur gleichen Zeit. Ein Grund dürfte sein, dass in diesen Ländern die abendliche Freizeit vor allem rund um die Paarbeziehung oder die Erholung der Erwachsenen organisiert ist. Spätabends herumtollende Kinder sind da nur ein "Störfaktor".

Das eigene Zimmer

Welcher Stil der bessere ist, lässt sich nicht pauschal sagen. "Schlafstile sind je nach vorherrschender Lebensform mit bestimmten Vor- und Nachteilen verbunden", schreibt Renz-Polster. "Die Frage, ob Babys besser in einem eigenen Zimmer schlafen, wurde erst aktuell, als es überhaupt mehrere Zimmer in den Häusern gab. Und schon viel früher hatte das Einschlafen der Kinder auch etwas damit zu tun, wie und wo die Mütter arbeiteten."

Müde, entspannt, gehört

Doch welche Zutaten brauchen Kinder, um gut und gerne einzuschlafen? In der ersten Zeit nach der Geburt stellt sich diese Frage nur bedingt: Säuglinge finden fast in allen Lebenslagen den Schlaf. Nach einigen Wochen kommt es dann auf die richtigen Bedingungen an. Herbert Renz-Polster sagt, dass es drei Dinge braucht, damit das Sandmännchen seine Arbeit tun kann: Müdigkeit, Entspannung und Mitbestimmung.

Während Müdigkeit irgendwann von selber kommt, müssen die Bedingungen für Entspannung aktiv erzeugt werden. Wie ergibt sich Entspannung bei Kindern? Renz-Polster: "Wenn ihre Bedürfnisse befriedigt sind. Sind sie müde, satt, warm und geborgen - schwupps, sind sie weg." Das klingt banal, ist aber keinesfalls selbstverständlich, wenn die Eltern gestresst und mit dem Kopf wo anders sind. 

Der richtige Zeitpunkt

Mit "Mitbestimmung" meint Renz-Polster, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, in dem das Kind selbst auf den "Schlafzug" aufspringen kann. "Wenn Kinder müde werden, so werden sie das in Wellen. Etwa alle 50 Minuten tritt ein kleines Kind von einer aktiveren Phase in eine beruhigte Phase ein." Könne das Kind selbst bestimmen, wann es schlafen soll, so sucht es sich in seiner "Tiefphase" von selbst die Brust oder mache es sich bequem. Kinder zum Schlafen zu bringen ist also nicht zuletzt eine Frage des richtigen Timings. (lima, derStandard.at, 11.10.2012)