Vier heimische Musikerinnen und eine Kamera: Ein Jahr mit Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf und Luise Pop auf, hinter und vor der Bühne. "Oh Yeah, She Performs" wird demnächst bei der Viennale vorgestellt. Bei uns zeigen die Protagonistinnen Haut

Aufeinandertreffen werden sie im Film nie, dennoch sind ihre Wege eng miteinander versponnen. In der österreichischen Musikszene hat sich in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe junger Musikerinnen in die erste Reihe gespielt - und das meist in Eigenregie. So etwas wie Vorbilder, wie man in einem männlich dominierten Bereich Fuß fassen kann, gibt es in diesem Land kaum. Komposition und Produktion erfolgten meist in Eigenregie.

Indiebereich und Mainstream

Gustav, Clara Luzia, Teresa Rotschopf und Vera Kropf von der Formation Luise Pop sind die Musikerinnen, denen sich Mirjam Unger seit 2008 an die Fersen geheftet hat. Sie hat ihnen zugeschaut, wie sie im Probekeller die ersten Töne aufnahmen, sie ist mit ihnen über staubige Landstraßen und Großstadthighways gedonnert, hat sie daheim vor ihrer Blümchentapete ausgefragt. Als langjährige Moderatorin (ZickZack, X-Large, Connected, Homebase) hatte sie bemerkt , dass da etwas im Entstehen war, Gustav und Clara Luzia waren Vorreiterinnen, dann kamen andere hinzu: im Indiebereich genau so wie Mainstream.

"Oh Yeah, She Performs" ist denn auch kein Film über ein bestimmtes Genre geworden, zu sehen sind vier ganz unterschiedliche Musikerinnen, die sich unterschiedlich einordnen und unterschiedliche Wege gehen. Was die vier aber eint, ist, dass sie tagtäglich um ihren Platz auf der Bühne kämpfen. Das machen viele ihrer männlichen Kollegen auch. Ihnen hat man dabei aber schon öfter zugesehen. (Stephan Hilpold, Rondo, DER STANDARD, 12.10.2012)

Mirjam Unger

STANDARD: Was ist der Reiz an einem Musikfilm?

Mirjam Unger: Oh Yeah, She Performs! baut die Brücke zwischen meinen zwei Berufen, zwischen meiner Radioarbeit, die naturgemäß immer viel mit Musik zu tun hatte und meiner Filmarbeit. Musikfilme, die ich mag, z. B. die Filme mit den Rolling Stones oder Scorseses the Last Waltz oder auch Shut up and sing mit den Dixie Chicks, sind Zeugnisse von Rebellion und gesellschaftspolitischen Veränderungswünschen.

STANDARD: Klingt Musik von Frauen anders als jene von Männern?

Unger: Nein. Und ja. Das heißt Frauen rocken und rollen und senden fette Bässe aus genauso wie ihre männliche Kollegen. Und dennoch: Die Stimmen und Stimmungen sind oft anders, die Messages oft unterschiedlich ...

STANDARD: Was drücken Sie persönlich über Mode aus?

Unger: Ich schätze Mode als Ausdrucks- und Kunstform. Ich bewundere eine Lana Del Rey oder einen David Bowie, die durch Mode bzw. Kostüme so viel auszudrücken vermögen. Ich selbst kleide gerne andere ein, um sie zu filmen oder zu fotografieren. Bei mir selbst halte ich es eher schlicht und klassisch und beobachte die modischen Bewegungen mit Interesse, aber aus einer gewissen Distanz.

STANDARD: Was assoziieren Sie mit Leder?

Unger: Leder hat für mich hauptsächlich mit Taschen und Schuhen zu tun. Beim Shooting fühlte sich diese zweite Tierhaut am Körper ungewohnt an.

STANDARD: Bitte ergänzen Sie: Mode ist ...

Unger: ... Selbstausdruck. Spiel- und Visitenkarte für gesellschaftliche Zonen.

Mirjam Unger ist Filmregisseurin, Moderatorin und Fotografin und lebt in Wien. 2007 brachte sie ihren preisgekrönten Dokumentarfilm "Vienna's Lost Daughters" in die Kinos. Er erschien auch im Rahmen der STANDARD-Edition "Der österreichische Film".

Mirjam Unger trägt eine Lederjacke von Calvin Klein, Lederhose und Overknees sind von Hermès.

Foto: Irina Gavrich

Clara Luzia

STANDARD: Was tragen Sie am liebsten auf der Bühne?

Clara Luzia: Im Grunde das, was ich auch sonst trage, da ich mir auf der Bühne keine Gedanken (und vor allem Sorgen) über meine Kleidung machen will. Das, was sich auch im Alltag als praktisch und angenehm erwiesen hat, schafft's auf die Bühne.

STANDARD: Klingt Musik von Frauen anders als jene von Männern?

Luzia: Ich könnte etwaige Unterschiede nicht auf das biologische Geschlecht zurückführen. Thematisch gibt's aufgrund unterschiedlicher Lebensrealitäten aber sicher Unterschiede.

STANDARD: Wie sieht für Sie das ideale Konzert aus?

Luzia: Wenn die Band und ich schon gut eingespielt sind und sich eine leichte Routine einstellt, beginne ich es wirklich zu genießen, da ich mich dann auf das Publikum, das Hier und Jetzt, die Band und die Performance konzentrieren kann statt auf die korrekte Wiedergabe der einzelnen Lieder.

STANDARD: Warum vermeiden Sie es, Leder zu tragen?

Luzia: Da ich Tiere nicht als meine Rohstofflieferanten verstehe. Ich lebe, soweit es mir möglich ist, vegan.

STANDARD: Bitte ergänzen Sie: Mode ist ...

Luzia: ... der Spiegel der Persönlichkeit.

Clara Luzia ist eine österreichische Singer-Songwriterin und lebt in Wien. Im November erscheint ein Foto- und Liederbuch gemeinsam mit der Fotografin Sarah Haas. Und am 1. März gibt's das neue Album "We are Fish".

Clara Luzia in einem Kleid von Céline, Jacke Michael Kors, Brosche von Lanvin, Lederhandschuhe Tiberius.

Foto: Irina Gavrich

Gustav

STANDARD: Wie sieht für Sie das ideale Konzert aus?

Gustav: Der Sound muss stimmen, die Anlage dem Raum gerecht werden, das Catering passen. Und das Publikum sollte geschminkt sein: Ich mag es etwas exzentrischer.

STANDARD: Klingt Musik von Frauen anders als jene von Männern?

Gustav: Nein!

STANDARD: Welche Inhalte sind Ihnen in Ihrer Musik wichtig?

Gustav: Schwierige Frage, die Texte sagen eigentlich alles. Prinzipiell kann ich aber sagen: Inhalte sind mir wichtig.

STANDARD: Warum wollten Sie beim Shooting keine Markenkleidung tragen?

Gustav: Weil ich die Verschränkung von Mode und Musik für unnötig halte. Ich möchte keinen Lifestyle propagieren oder in einer Modelpose fotografiert werden. Ich habe das Shooting eigentlich nur aus Loyalität gemacht.

STANDARD: Bitte ergänzen Sie: Mode ist ...

Gustav: ... wurscht.

Eva Jantschitsch alias Gustav kommt aus Graz, lebt in Wien und arbeitet als Pop- und Chanson-Performerin, Autorin und Komponistin. Zuletzt zeichnete sie für die Musik in der Burgtheater-Inszenierung von "Der Alpenkönig und der Menschenfeind" verantwortlich.

Gustav trägt auf eigenen Wunsch Vintage-Kleidung.

Foto: Irina Gavrich

Teresa Rotschopf

STANDARD: Wie bewegen Sie sich am liebsten auf der Bühne?

Teresa Rotschopf: Je nach Energiepegel und Stimmung: manchmal gar nicht, manchmal wild. Hängt natürlich auch von der Nummer ab, die ich gerade singe.

STANDARD: Klingt Musik von Frauen anders als jene von Männern?

Rotschopf: Musik klingt im besten Fall nach der Person, die sie gemacht hat - ob das ein Mann war oder eine Frau ist mir ziemlich egal.

STANDARD: Welche Bedeutung hat für Sie ein Bühnenoutfit?

Rotschopf: Ich mag es, mich für die Bühne "schick" zu machen: wie für einen Ball oder den ersten Schultag. Wie das dann konkret aussieht, ist sehr unterschiedlich, je nach Stimmung halt.

STANDARD: Was ist Ihre früheste Erinnerung an Leder?

Rotschopf: Am ehesten noch die Hirschlederhosen, die mein Vater immer sonntags getragen hat - und es noch immer tut. Ansonsten: Die Sättel der Pferde meiner Kindheit. Und der Geruch von Lederfett.

STANDARD: Bitte ergänzen Sie: Mode ist ...

Rotschopf: ... Mode.

Teresa Rotschopf war bis zur Auflösung der Band in diesem Jahr Sängerin von Bunny Lake. Unter dem Namen O arbeitet sie derzeit gemeinsam mit Produzent Patrick Pulsinger an einem Solodebütalbum. Sie lebt in Wien.

Teresa Rotschopf in einem Ledertop von Dior, Bluse und Hut von Hermès, Hose Calvin Klein, Schuhe Prada. Vera Kropf in einem Tanktop von Givenchy, Schuhen von Fendi, Kette Saint Laurent Paris, Lederhose Céline.

Foto: Irina Gavrich

Vera Kropf von Luise Pop

STANDARD: Mögen Sie es, auf der Bühne zu stehen?

Vera Kropf: Einerseits finde ich es belastend und anstrengend und bin gar nicht der Typ dafür: Ich muss mich ja schon überwinden, mich zu schminken. Andrerseits: Ich sitze gern am Steuer. Gerade weil es so unangenehm ist, ist es auch so toll. Sich nicht von der Welle begraben lassen, sondern auf ihr surfen.

STANDARD: Klingt Musik von Frauen anders als jene von Männern?

Kropf: Musik, vor allem gute, lebt von Nuancen und lässt sich nicht in Schwarz/Weiß einteilen. Also: grundsätzlich nein. Gleichzeitig ist Musik ein hochgradig konventionalisiertes Medium. Wenn so ein Phantasma wie Rock 'n' Roll, das immer noch fast ausschließlich von Männertypen bevölkert ist, plötzlich von Frauen bedient wird, wackelt das Gebäude in seinen Grundfesten. Das klingt dann auch anders.

STANDARD: Was wünschen Sie sich für die österreichische Musikszene?

Kropf: Was sich in den letzten zehn Jahren getan hat, finde ich beeindruckend. Es gibt tolle neue Bands, VeranstalterInnen, Labels. Obwohl wir es fast schon geschafft haben, ein gewisser Hinterwäldlerimage abzulegen, hat sich Österreich als Musikexportland (jenseits von Klassik und Schlager) aber noch nicht so richtig etablieren können.

STANDARD: Was assoziieren Sie mit Leder?

Kropf: Biker. Perversionen. David Lynch. Kärnten. Rammstein. Rebel Without a Cause. Bier. Soll sexuelle Signale senden oder Hirsche anlocken. Irgendwas zwischen bodenständig und verrucht.

STANDARD: Bitte ergänzen Sie: Mode ist ...

Kropf: ... Ausstrahlung. Das Phantasma vom Kartoffelsack auf der Cocktailparty: Wichtig ist, wie jemand etwas trägt. Das Haptische der Kleidung ist autoerotisch. Hier treffen sich Mut zur Zurückhaltung, Hang zur Hochstapelei, Wille zur Wandlung. Mode verrät Einstellungen, ist politisches Statement.

Vera Kropf ist Frontfrau bei Luise Pop und lebt in Wien und Berlin. Aktuelle Platte: "Time Is A Habit" (Siluh Records). Zu sehen ist Luise Pop demnächst auf dem Ladyfest Paris, 27. 10., Espace B.

Foto: Irina Gavrich

Fotos: Irina Gavrich
Styling: Felix Leblhuber
Make-up & Haare: Sandra Haiden
Fotoassistenz: Sophie Kirchner
Produktion: Stephan Hilpold
Mode von Petar Petrov, Calvin Klein, Prada, Hermès, Tiberius (Lindengasse 2, 1070 Wien); Dior, Givenchy, Fendi, Saint Laurent Paris (alles über Liska, Am Graben 12, 1010 Wien); Céline, Michael Kors, Lanvin (alles über Chegini, Kohlmarkt 4, 1010 Wien)

Foto: Irina Gavrich