Dramatik des Gebirges: Fotograf Axel Hütte fasste den 3100 Meter hohen " Totenkopf" der Glocknergruppe in Schärfe-Unschärfe-Kontrasten in beinahe bedrohlicher Erhabenheit.

Foto: Galerie Ruzicska

Hochalpine Landschaften der letzten beiden Jahre zeigt die Galerie Ruzicska in Salzburg.

Salzburg - Nebelschwaden ziehen auf, hüllen den Gipfel des Rauchecks in den Nördlichen Kalkalpen in dichtes Weiß. Dort, wo in einem klassischen Landschaftsbild ein Objekt im Vordergrund, etwa ein Baum, als sogenanntes Repoussoir ins Motiv hineinzieht und Tiefe herstellt, existiert nur Nebel. Der Betrachter kennt seinen eigenen Standpunkt nicht mehr, sein Blick verliert sich.

Es ist dieses sich beim Betrachten einstellende Unbehagen, das die alpine Werkserie des deutschen Fotografen Axel Hütte (geb. 1951) charakterisiert. Hatte Hütte 2010 in seiner letzten Einzelausstellung bei Nikolaus Ruzicska mit malerisch verschwommenen Aufnahmen von Waldseen auch eine gewisse Mystik eingefangen, ist es nun, trotz nüchterner Behandlung der Motive, die Dramatik des Gebirges.

Dunkel, fast schwarz, ragt der über 3100 Meter hohe "Totenkopf" der Glocknergruppe auf. Unüberwindbar scheint das Massiv, über dessen Grate wie über die Schultern eines Riesen bereits die Wolken wabern. Seine bedrohliche Erhabenheit, sie wirkt im monumentalen Format von 170 x 175 Zentimetern noch intensiver.

Berge sind allerdings kein neues Motiv für Hütte, der neben Andreas Gursky, Candida Höfer oder Thomas Ruff zu den erfolgreichsten und profiliertesten Vertretern der Düsseldorfer Fotoschule von Bernd Becher zählt. Bereits die Erhebungen Neuseelands und New Mexicos tauchte er in dunstige Unschärfe. Neu ist an den präsentierten Arbeiten der letzten beiden Jahre das hochalpine Gelände.

Weit über 2000 Meter, etwa auf den Stallersattel zwischen Ost- und Südtirol, führen Hüttes Wege: Keine einsamen Gewaltmärsche, sondern präzise geplante Routen in Begleitung, was allein wegen der stattlichen Fotoausrüstung (Großbildkamera mit 13 x 18 Zentimeter großen Negativen) notwendig ist. Verloren im Nirgendwo glaubt man sich bei Großglockner, einem Diptychon von 2012. Fotos besonders entlegener Areale wird man jedoch bei Hütte nicht finden, dafür ist der Künstler zu kalkuliert.

Wichtig sei, erzählt er, dass man möglichst schnell wieder den Rückzug antreten könne. Denn das, was Hütte in seinen, mit dem Kontrast von Schärfe und Unschärfe spielenden Fotos festhalten möchte, ist das, was jeden Ausflug in die Berge so gefährlich macht: der plötzliche Wechsel des Wetters wie etwa das Aufziehen eines Gewitters. Das schlagartige Kippen einer Stimmung: Für solche Dramen ist der Oktober besonders geeignet. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 11.10.2012)