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Staumauer und Überlauf des Draukraftwerks bei Feistritz - Energie aus Wasserkraft ist ein Kapital des an Gewässern reichen Österreichs. Aber Stauseen bergen mögliche Gefahren für die Umwelt. Es mehren sich Hinweise, dass diese Art der Energieerzeugung doch nicht CO2-neutral ist.

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Rund 130 Liter Wasser verbrauchen die Österreicherinnen und Österreicher durchschnittlich pro Kopf und Tag, wobei die Tendenz dank immer sparsamerer Geräte fallend ist. Nur zwei Prozent davon werden tatsächlich als Trinkwasser genutzt, der Großteil rinnt in den Bad- und Küchenabfluss, die WC-Spülung und die Waschmaschine. Wasser erfüllt jedoch weit mehr Funktionen als nur die, unseren Durst zu stillen und uns sauber zu halten.

"Es gibt vier große Anforderungen an natürliche Gewässer: die Bereitstellung von Trinkwasser, Nahrung, Energie und Erholungsmöglichkeiten", erklärt Tom Jan Battin, Vorstand des Departments für Limnologe der Uni Wien und tätig am Forschungszentrum Wassercluster Lunz. Damit die Natur diese Dinge auf die Dauer gewährleistet, braucht es funktionsfähige Ökosysteme. "Österreich ist einer der Wassertürme Europas", betont Battin, "wir haben nicht nur sehr viel, sondern auch sehr hochwertiges Wasser, und dies ist vor allem durch den alpinen Raum und sein Klima bedingt."

Zukünftige Engpässe sind jedoch auch unter so günstigen Ausgangsbedingungen nicht auszuschließen: So blieben im Jahrhundertsommer 2010 Flüsse wie der Rhein oder die Donau nur deshalb schiffbar, weil sie durch den verstärkten Gletscherabfluss aus den Alpen gespeist wurden. "Durch die globale Erwärmung schrumpfen die Gletscher und können auf Dauer nicht so viel Wasser liefern", gibt Battin zu bedenken. "In Zukunft kann sich dies auch auf die Schifffahrt in diesen großen Flüssen während eines niederschlagsarmen Sommers auswirken." Über die Systemzusammenhänge in aquatischen Ökosystemen weiß man immer noch relativ wenig: "Wir brauchen neue, integrative Ansätze dafür, wie wir den Puls des Ökosystems nehmen", sagt Battin.

Die klassischen Methoden vermerken das Vorhandensein bzw. Fehlen bestimmter Arten in einem Bach oder Fluss und schließen daraus auf den Gesundheitszustand dieser Gewässer. Der Einfluss neuerer Belastungen, wie Antibiotika- oder Pestizidrückstände, lässt sich auf diese Weise jedoch nicht darstellen. Eine wesentliche Rolle spielen auch Mikroorganismen - ihr Einfluss ist aber bisher kaum erforscht. "Es hängt von den Verflechtungen der einzelnen Arten ab, wie widerstandsfähig ein System gegenüber Stress ist. Nur wenn wir die Biodiversität und ihre komplexen Koppelungen mit der physikalischen und chemischen Umwelt kennen, können wir sagen, was Binnengewässer brauchen, um langfristig zu funktionieren", erklärt der Limnologe.

Böse Überraschungen

Auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gewässer sind kaum abzusehen. In diesem Zusammenhang könnte auch noch die eine oder andere Überraschung aus unerwarteter Richtung auf uns zukommen: Weltweit mehren sich die Anzeichen dafür, dass Energiegewinnung aus Wasserkraft möglicherweise doch nicht so CO2-neutral ist, wie bisher angenommen. So dunsten etwa Stauseen in den Tropen Kohlendioxid und das noch viel potentere Methan aus.

Die Treibhausgase stammen aus der organischen Materie, die bei der Stauung überschwemmt wurde und nun langsam unter Wasser zersetzt wird. Hinweise auf ähnliche Verhältnisse gibt es von kanadischen Staudämmen. Denkbar ist, dass sich Ähnliches vor den Staumauern von Flusskraftwerken abspielt: Immerhin regnet die organische Materie an den Staumauern quasi ab und wird dort zersetzt. Laut Battin sind diese Verhältnisse kaum erforscht, aber "hier ist durchaus ein Aha-Erlebnis möglich, und zwar in beide Richtungen. Wir wissen es nicht, aber niemand will da so richtig hinschauen."

Auch die Atomenergie könnte indirekt vom Klimawandel betroffen sein: AKWs liegen an großen Flüssen, weil sie jede Menge Kühlwasser brauchen. Steigt die Temperatur dieser Gewässer merklich, ist noch mehr Kühlwasser nötig, wodurch sich die Flüsse stromabwärts weiter aufheizen können. Die Zersetzung des organischen Materials vor nachgeschalteten Flusskraftwerken würde so beschleunigt ablaufen und eventuell zusätzliche Treibhausgase erzeugen. "Das macht die Komplexität der Rückkoppelungen in diesen Ökosystemen klar, zeigt aber auch, dass wir hier mit unserem linearen Denken oft rasch an Grenzen stoßen", meint Battin.

Das ist nicht alles: Den Binnengewässern setzen vor allem Nährstoffe und Pestizide aus der Landwirtschaft zu, Medikamentenrückstände, wie Antibiotika, häufen sich. Und weil alle Flüsse letztendlich im Meer enden, wirken sich die Einträge auch dort aus: Der Golf von Mexiko etwa, in den der Mississippi mündet, ist durch dessen enorme Nährstoff-Ladungen heute die größte sauerstofffreie Zone der Welt.

Auch die Nordadria um die Po-Mündung erleidet immer wieder Sauerstoffkrisen mit massenhaftem Absterben der Mereresbodenbewohner. "Wasser befindet sich im globalen Kreislauf, dessen Auswirkungen wir nicht unterschätzen sollten", sagt Battin, "und Bäche, Flüsse und Seen verbinden eben die Kontinente mit den Meeren und der Atmosphäre." (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 10.10.2012)