Graz - Eine bisweilen interessant unorthodoxe Dramaturgie beim Musikprotokoll des Steirischen Herbstes: Zwischen den Konzerten wird mitunter gar dem referierenden Wort Vortragsplatz eingeräumt. Plötzlich hört man da Interessantes über eine Pfeifsprache, El Silbo Gomero geheißen, die einst Ureinwohner der Kanarischen Inseln pflegten. Von der Unesco wurde sie 2009 zum immateriellen Kulturerbe auserkoren; je nach Windrichtung, erfährt man von Heimo Lattner, konnte die Reichweite der Pfiffe bis zu zehn Kilometer betragen.

Spuren dieser Sprache fand man in den aufgeführten Werken nicht. Vielmehr: Man hat sich heuer der strengen Kammermusik verschrieben, es gab keinen großorchestralen Ausflug in die Helmut-List-Halle. Alles Klangliche wurde im Camp konzentriert, wobei wahre Uraufführungsspezialisten zugegen sind:

Das Arditti-Quartet nimmt sich konzentriert etwa Christian Ofenbauers 5. Streichquartettsatz vor. Ofenbauer setzt auf leise Strukturen; kratzende und quasi windartig wehende Momente wechseln mit akkordischen Haltepunkten, es gibt perkussive Stellen, "Luftpeitschenhiebe" mit den Bögen und schließlich kurze Einzelstatements, die effektvoll ineinander verschachtelt werden. Markant.

Bei Rebecca Saunders' Neuheit mit dem Titel Fletch - von den Ardittis subtil umgesetzt - hört man kurze, scharfe instrumentale Interventionen, Glissandi und die Auseinandersetzung mit einer in der Moderne eher verpönten Figur, dem Triller. Saunders' Extrapolationen sind jedoch frei von jeglicher Plattheit.

Weitaus extrovertierter dann aber Marko Nikodievics Music box, eine Art kompositorisches Selbstporträt plus zugefügter Auseinandersetzung mit Ligeti, Strawinsky und Messiaen. Es geht rhythmisch prägnant zur Sache, das Ensemble Zeitfluss unter Dirigent Edo Micic hat ruppig und direkt zu agieren, wobei auch elegische Momente Einzug halten. Eine kontemplative Angelegenheit hingegen Christian Kleins ... sotto i sassi ..., die mit langen Tönen auszukommen versucht. Die spät einsetzende strukturelle Munterheit hätte durchaus früher erscheinen dürfen. (Ljubiša Tošic, DER STANDARD, 9.10.2012)