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Mit "DU - Die Unabhängigen" wollte Richard Lugner 1999 auch im Parlament aufkehren. Im Jahr davor hatte er 9,9 Prozent bei der Bundespräsidentenwahl abgestaubt.

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Der DU-Wahlkampf wurde zur Pleite: Trennungsgerüchte von Ehefrau Christine "Mausi" Lugner, die mangelnde finanzielle Potenz des Baumeisters und die Nichteinladung zu politischen TV-Debatten führten zum Absturz.

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Weg vom Fenster ist Richard Lugner aber noch lange nicht. Eine Woche vor seinem 80er tauchte Dschungelcamp-Teilnehmerin Micaela Schäfer bei einer offiziellen Geburtstagsfeier mit Torte und nur mit grünem String bekleidet auf.

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Natürlich war es bei Herrn Stronach grotesk. Aber weil schlimmer immer geht, passt auch zu Frank Stronachs Gang in die Politik in Sachen Skurrilität das Kreisky-Zitat "Lernen Sie Geschichte". Schließlich gab es da einen, der es noch irrer, noch jenseitiger und - wenn man die Bezüge von Politik auf das echte Leben ausblendet - noch unterhaltsamer trieb als der Onkel aus Amerika: Richard Lugner.

Lugner wird am 11. Oktober 80. Das ist Grund genug, jene Kapitel in der Biografie des Baumeisters hervorzukramen, die mehr über ihn und Österreich verraten als der Adabei- und Katzi-Unfug. Denn Lugner strahlt wie Stronach trotz aller Durchgeknalltheit etwas aus, was Berufspolitiker nicht haben: Authentizität. Mit Kanten und Bruchstellen. Lugner und Stronach kommen eben dort her, wo viele Leute, die sie wählen könnten, stehen: aus dem wirklichen Leben.

Die Schlüsselerlebnisse

Um bei Lugner zu bleiben: Ich hatte drei Schlüsselerlebnisse mit ihm. Keines davon war ein Adabei-Auftritt. Das erste fand in der Garage der Lugner City statt, vor vielen Jahren. Der Vater meiner damaligen Freundin war Schulwart im 16. Bezirk. An einem Samstag begleitete ich ihn in die Lugner City. In der Tiefgarage war Verkehrschaos. Und Richard Lugner persönlich gab den Verkehrspolizisten. Winkend, brüllend, gestikulierend. Doch statt den Knoten aufzulösen, verdichtete er ihn mit jeder Bewegung.

Irgendwann sprang ein Autofahrer aus seinem Wagen, lief zum Baumeister, knallte ihm eine - und stieg wieder ein. Lugner stand mit roten Backen da - und begann nach einer Schrecksekunde wieder zu fuchteln. Der Vater meiner Freundin sah mich an: "Klar ist er ein Vollkoffer", kam in wunderschönem, altem und heute vom Aussterben bedrohtem Ur-Ottakringerisch, "aber er ist okay. Er ist einer von uns. Weil er sich für nix zu gut ist. Drum mag ich ihn."

Ein glücklicher Papa

Tage später sah ich Lugner wieder. Jacqueline war im Kindergartenalter und in der Lugner City war Streichelzoo. Lugner setzte das Kind auf ein Pony und strahlte. Er war jetzt einfach ein Vater, der glücklich war, weil sein Kind lachte. "Das meine ich", sagte der Vater meiner Freundin, "er ist echt. Leute wie wir werden ständig belogen - aber wir spüren, wenn sich wer verstellt."

Jahre später lernte ich Lugner dienstlich kennen: Im Umfeld der Wiener Wahl suchten wir Brennpunkte in den Bezirken. Und Nichtpolitiker als Gesprächspartner. Lugner lag auf der Hand. Doch statt des Adabei-Clowns traf ich einen Mann, der mich durch eine Shoppingmall führte, die trotz aller Unkenrufe ("Keine großen Parkplatzflächen ringsum!", "Mitten in der Stadt - aber keine gute Anbindung ans Zentrum", "Verheerende Verkehrssituation ringsum!") prosperierte.

Hausverstand statt Consulting

Lugner verriet, wie er die Mall konzipiert hatte. "Ich brauch keine Berater: Ich hab mir den Billa angeschaut. Die Milch ist immer hinten. Weil die jeder braucht. Also hab ich den Merkur nach hinten gesetzt. Da muss jeder an allen andern Geschäften vorbei." Er kannte natürlich auch die Quadratmeterumsätze eines jeden Shops.

Lugner wartete damals schon zehn Jahre darauf, den Gürtel-Übergang bei der Burggasse bauen zu dürfen. "Die Grünphase für Fußgänger ist eine Katastrophe. Ich hab jedes Mal Angst, dass mein Kind überfahren wird. Aber die Stadt will nicht, dass ich ihr die Brücke schenke", war er damals konsterniert. Das Argument lautete, die Lugner-Spange würde das Umfeld der Otto-Wagner-Station beeinträchtigen. "Aber die Hauptbibliothek dahinter stört nicht. Es kommt halt drauf an, welchen Architekten man beauftragt", fauchte der Baumeister.

Die Anfragen aus der Politik

Lugner aber wusste, dass die Zeit für ihn arbeitete: "So zynisch das klingt: Ich warte bis zum überübernächsten Fußgänger, der hier draufgeht. Irgendwann darf ich bauen - und ein Politiker, der immer dagegen war, wird das Band durchschneiden." Ob ihn das nicht ärgere? "So ist das eben. Man müsste da selbst schon aktiv mitspielen - aber das will ich nicht. Noch nicht." Auf den fragenden Blick meinserseits fuhr Lugner fort: "Meine Frau und ich werden seit Jahren gefragt, ob wir nicht in den Gemeinderat wollen."

Jetzt wurde es spannend: von wem? "Von vier Parteien klopfen drei immer wieder an. Aber: Wir lassen uns nicht aus der zweiten Reihe fragen. Wenn, dann muss der Chef selbst kommen. Dann sind wir dabei." Ich war - damals - naiv: Ob es da nicht ideologische Schranken gebe? Lugner schlug sich auf die Schenkel: "Ideologie? Meinen Sie das ernst? Ideologie? In welchem Jahrhundert leben denn Sie?"

Der Einstieg als Dilettant

Jahre später ging Lugner dann tatsächlich in die Politik: 1998 wollte er Bundespräsident werden. Man höhnte. Als ich ihn auf Wahlkampftour (Stockerau, Tulln, Langenlois und St. Pölten) begleitete, war das einer meiner skurrilsten Tage als Polit-Redakteur: Inhaltlich, ideologisch, rhetorisch und methodisch war da nichts.

Die Auftritte Lugners an diesem Wahlkampftag waren linkisch, das Gehabe dilettantisch und die Strategie peinlich. Alles natürlich aus der Perspektive "echter" Politik betrachtet.

Zuerst zehn Prozent, dann DU

Bloß, was Lugner von den angeblich "einfachen" Menschen entgegengebracht wurde, war dem ähnlich, womit heute Frank Stronach bei ebendiesen Leuten punktet. Lugner bekam 1998 immerhin 9,9 Prozent der Stimmen.

Lugner wollte danach gleich den Schwung nutzen - und statt in die Hofburg ins Parlament. Er gründete "DU - Die Unabhängigen". Lugners Image als Adabei-Clown war mehr Asset denn Hemmschuh. Es ging um das Gesicht des Chefs - der sich als der Sammler von Unzufriedenen sah, egal woher diese auch immer kamen.

Der Parteitag als Groteske

So wie unlängst Stronachs Party in Ebreichsdorf war daher auch der Gründungsparteitag der DU-Partei für die politische Kaste groteskes Theaters. Für die anderen aber war es das Angebot einer Alternative, als Lugner am 18. September 1999 im "Hubertus Stadl" nahe Oberlaa seinen Parteigründungsevent schmiss. Das Lokal war ein "Thai Heuriger" - es servierten "importierte" Thai-Damen.

Lugners Auftritt war nicht weniger skurril als jener von Frankieboy 2012 in Ebreichsdorf: Ein Selfmademan erklärte die Welt. Inklusive Austro-Kultur: Ars Electronica, Bachmannpreis und dergleichen braucht keiner - das Geld dafür wäre in Mörbisch besser angelegt.

Kein Geld fürs Professionelle

Die Etablierten und Arroganten im Elfenbeinturm schmunzelten. Vor Ort aber sah man einen, der die Sprache der Straße sprach. Klar: DU übersprang nur knapp die Einprozenthürde. Aber das hatte andere Gründe: Obwohl sich die Lugners erst 2007 scheiden ließen, gab es schon während der Wahlkämpfe Gerüchte. Außerdem fehlte Lugner das nötige Kampagnengeld genauso wie das Know-how für einen professionellen Wahlkampf. Aber auch das Ignoriertwerden bei den wichtigen Polit-TV-Debatten hat mitgeholfen, ihm das politische Genick zu brechen.

Doch das ist der einzige echte Unterschied zu Frank Stronach: Lugners mangelnde finanzielle Potenz. Darum bleibt Lugner stets die Rolle des Buffo - auch mit 80. Frank Stronach aber ist ein "Player". Er kann mit allen - und alle können mit ihm (auch wenn sie es jetzt nicht sagen wollen). Richard Lugner wusste schon in den 1990er Jahren, wieso: "Ideologie? In welchem Jahrhundert leben denn Sie?" (Thomas Rottenberg, derStandard.at, 8.10.2012)