Ein seltsamer Abend. Am positivsten in Erinnerung bleibt bei Wiederaufnahme der Tosca das Volksopernorchester. Geballte Wucht, Dynamik, Glut: Wow. Eine bemerkenswerte Zahl an falschen Einsätzen - mehr beim Holz als beim Blech - trübt den Gesamteindruck. Mit der Bühnenmusik wie mit den Sängern hat Dirigent Gerrit Prießnitz fallweise Koordinationsschwierigkeiten.

Vincent Schirrmacher zieht als Cavaradossi seine Trumpfkarte Lautstärke etwas zu oft. Was am Abend auf Kosten der Eleganz geschieht, wird im Lauf der Jahre zulasten seines Stimmkapitals gehen. Davor müsste der 1978 geborene, chinesischstämmige Tenor gewarnt werden. Melba Ramos hat mit ihrer Durchschlagskraft eine ideale Stimme für die Tosca, auch bringt sie Kampfeslust für die Partie mit. Jedoch wäre es von Vorteil, die Aussprache des Deutschen zu beherrschen. Das tut auch Egils Silins als Scarpia nur bedingt. Mit machtvollem vokalem Druck stellt er die (negative) Autorität der Figur etwas eindimensional dar.

Petar Naydenov bietet mit seinem nobel konturierten und doch männlichen Bariton als Angelotti die beste Leistung des Abends, auch der Spoletta (Christian Drescher) ist an der Staatsoper meist schlechter besetzt. Leider verhindert die furchtbare, vier Jahre alte Inszenierung von Alfred Kirchner im ersten (das Baugerüst) und im zweiten Akt (die Dauerverhörbeleuchtung) das Aufkommen jeglicher Atmosphäre. (end, DER STANDARD, 6./7.10.2012)