Aus dem ehemaligen Istranka am Karmelitermarkt wird eine Kaffeestation.

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Wien - Auf den Tischen türmen sich mit Geschirr gefüllte Kartons, an der Glastür hängt ein Zettel: "Vorübergehend geschlossen". Im Marktachterl am Karmelitermarkt im zweiten Wiener Bezirk bekommt man schon länger kein Achterl mehr. Der Plan, mit umfangreicher Wein- und Fischkarte zahlungskräftige Kundschaft anzusprechen, ging nicht auf. "Es hat sich nicht gerechnet", sagt Isabel Kaas, die zwei Stände auf dem Karmelitermarkt betreibt und deren Familie das Marktachterl gehört. "Das lag vor allem an der Geschäftsführung - nun sind wir dabei, das Lokal zu verkaufen."

Immer mehr Standler bewirten im Kleinen

Ein Gastrobetrieb auf halbwegs zentral gelegenem Marktgebiet gilt dennoch als lukrative Einnahmequelle - jedenfalls im Vergleich zum reinen Obst- und Gemüseverkauf. "Viele Standler sehen in der Gastronomie das große Geld", sagt Alexander Hengl vom Marktamt. "Wenn es die Beschränkung auf ein Drittel des Marktgebiets nicht geben würde, hätten wir lauter Fressmeilen." Dass einige Märkte trotzdem im Sommer wie riesige Freiluftbeisln aussehen, liege daran, dass im Kleinen jeder bewirten darf - und diese Möglichkeit immer mehr Standler nutzen.

Pro Stand sind acht Sitzplätze und die Ausgabe von kleinen Speisen und Getränken erlaubt. Wein darf allerdings keiner ausgeschenkt werden. Weshalb sich die Familie Kaas vom Karmelitermarkt neben der Käufersuche fürs Marktachterl auch um ein neues Konzept für ihren Stand "Istranka" kümmern musste. Nach einer Verwarnung durchs Marktamt gibt es dort künftig statt Wein und Feinkost Biokaffee, Müsli und Brot. "Wir wollten auf die acht Sitzplätze auf keinen Fall verzichten", sagt Isabel Kaas, " denn ohne sie zahlt sich so ein Standl nicht aus." Eröffnet wird die neue Kaffeestation am Dienstag.

Aufwertung am Vorgartenmarkt

Zwei Kilometer stadtauswärts, auf dem Vorgartenmarkt, wagt Martin Paga Ähnliches. In seiner Mokkathek verkauft er Kaffeesorten, die man vor Ort kosten und mahlen lassen kann. Eröffnet wird ebenfalls am Dienstag. "Die acht Sitzplätze werde ich auf jeden Fall ausnützen", sagt er. Dass sich der Besucheransturm auf dem gut versteckten Mini-Markt im Stuwerviertel anfangs in Grenzen halten wird, ist dem Neostandler klar. "Diese Gegend braucht noch ein paar Jahre - aber die Aufwertung kommt bestimmt."

Wiens Märkte haben weniger Kunden

Insgesamt wird die Kundschaft auf Wiens Märkten allerdings weniger. "Die Kaufkraft ist in den letzten Jahren sehr zurückgegangen", sagt Anna Schwind, stellvertretende Obfrau der Sparte Markthandel bei der Wiener Wirtschaftskammer. Dabei machen den kleineren Märkten laut Schwind vor allem neue Einkaufszentren zu schaffen. "Die Leute wollen nicht mehr nur einkaufen und dann wegrennen, die wollen auch ein Erlebnis."

Plädoyer für längere Öffnungszeiten

Auf Märkten brächten vor allem Gastro-Betriebe dieses Erlebnis - weshalb die Interessenvertreterin für längere Öffnungszeiten plädiert. Derzeit müssen die meisten Marktlokale um 19 Uhr zusperren, Ausnahmen gelten auf größeren Märkten wie dem Naschmarkt. Dort ist um 23 Uhr Sperrstunde. Mehr Leben am Abend würde auch den Gemüsehändlern etwas bringen, meint Schwind, selbst seit 30 Jahren als fahrende Händlerin unterwegs. "Wenn generell mehr los ist, kaufen auch mehr Leute wieder dort ein."

Die Stadt sperre sich nicht grundsätzlich gegen längere Öffnungszeiten, sagt Hengl vom Marktamt. Um sie einzuführen, müssten allerdings alle Standler zustimmen - und damit auch eine höhere Standgebühr akzeptieren. (Martina Stemmer, DER STANDARD, 6./7.10.2012)