Suzuka – das ist heiliger Boden des Motorsports. Wenn dieses Wochenende der Formel-1-Grand-Prix auf der japanischen Rennstrecke in Szene geht, wird auch einer der Götter dieses Genres wieder herbeizitiert werden: Ayrton Senna.

Zweimal, 1988 und 1993, siegte der dreifache Weltmeister auf dem anspruchsvollen Kurs. Zweimal lieferte er sich in Japan legendäre Keilereien: 1989 brachte ein rüdes Manöver seines McLaren-Teamkollegen Alain Prost den Brasilianer um Sieg als auch WM-Titel. 1990 pilotierte sich wiederum Senna in Prosts Boliden – und krönte sich per Doppelausfall zum Champion. Suzuka und Senna – das ist auch die Geschichte eines genialischen Piloten und der Teststrecke jenes Motorenherstellers, mit dem er sämtliche WM-Titel eingefahren hat: Honda.

Supercar, Made in Japan

Ende der 1980er versuchten die Japaner den Motorsport-Lorbeer in eine Redefinition des Straßensportwagens zu übersetzen: den Honda NSX. Doch den überehrgeizigen Japanern gelang es nicht, die eigenen hohen Ansprüche auf den Asphalt zu bringen. Alu-Karosserie, Achsgeometrien aus der Formel 1, Mittelmotor-Konzept, vollelektronische Servolenkung, variable Ventilsteuerung – diese Innovationen zusammenzuführen und serientauglich zu machen erwies sich selbst für die akribischen Honda-Ingenieure als heikle Mission.

Foto: honda

Vor allem das aus Aluminium gefertigte Fahrwerk bereitete Honda Probleme: Der Unterbau war weich wie Tofu. Also wurde Werksfahrer Senna gebeten, den Prototyp in Suzuka auszuführen. Der Arbeitnehmer gab sich nach ein paar Testrunden eher maliziös: "Ich weiß nicht, wie ich Ihnen helfen kann", beschied der Perfektionist, "aber ich glaube, dass sich das Auto durchbiegt." Fortan war der Champ in die Entwicklung eingebunden.

Das 1990 der staunenden Weltöffentlichkeit präsentierte Ergebnis, Japans erster ernsthafter Supersportwagen, war dann auch zweifellos der perfekteste Hardbody jener Tage. Der Motor: ein per Panzerglas vom Cockpit getrennter Hightech-V6-Zylinder mit 274 PS, der die Flunder in 5,9 Sekunden auf Tempo hundert beschleunigte. Die Radaufhängung: grazile Alu-Kleinkunstwerke in doppelter Dreiecksquerlenker-Ausführung. Optimale Gewichtsverteilung garantierte der zwischen den Sitzen verbaute Tank. Insgesamt 400 Patente gab's zum Preis von 1,1 Millionen Schilling – und das inklusive Alltagstauglichkeit. Bei Porsche und Ferrari rieb man sich verdutzt die Augen. In den USA wurde der Innovator mit Lob und Auszeichnungen überhäuft.

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Allein: Die frohe Botschaft kam beim Publikum nicht an. Der NSX verkaufte sich miserabel. War es das etwas betuliche Design, war es der nicht satisfaktionsfähige Klang des Markennamens? Zwei Jahre nach der Premiere versuchten die Ingenieure diese Fragen mit einem noch besseren, vor allem aber leichteren NSX zu beantworten. Denn trotz der Leichtbaumaßnahmen war der Wagen mit 1.400 Kilogramm etwas schwer geraten. Die Lösung war der NSX-R, eine von Luxus erleichterte und fit gespritzte Rennversion mit Carbonfiber-Einlagen. Der als Image-Boost programmierte, um 200 Kilo abgestrippte Japaner kam über den Heim-Markt nicht hinaus. Der Honda NSX, eines der besten Geräte seiner Zeit, sollte als veritabler Flop in die Automobilgeschichte eingehen.

Vor genau 20 Jahren, im Herbst 1992, zeigte Ayrton Senna der versammelten Journalistenschar in Suzuka, wie der NSX-R standesgemäß bewegt wird. Via On-Board-Kamera zu erleben sind ein virtuoser Tanz auf der Pedalerie (inklusive Fersengas-Einlagen) und ein stoisch-selbstsicherer Könner am Volant. Nicht minder beeindruckend der modische Auftritt des Meisters: Boss-Blouson, Föhnfrisur, Bundfaltenhose und Tennissocken zitieren den damals gängigen Edeldisco-Proll. Angesichts des Schuhwerks wird dann endgültig klar: Gott trägt Loafers. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 5.10.2012)