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Polens Präsident Komorowski versammelt sich mit der Schweizer Präsidentin Widmet-Schlumpf im schweizerischen Gruyeres, dort ist er gerade zu Besuch.

Foto: REUTERS/Valentin Flauraud

Warschau - Polens Präsident Bronislaw Komorowski hat am Donnerstag eine umstrittene Novelle des Demonstrationsrechts verabschiedet, das unter anderem zwei Demonstrationen zur selben Zeit am selben Ort verbietet. Kritiker sehen darin eine Eingriff in die Grundrechte, die Gewerkschaft "Solidarnosc" will vor dem Verfassungsgericht klagen.

Die neuen Regelungen verbieten Demonstranten weiters, gefährliche Werkzeuge und Pyrotechnik zu besitzen, und geben den Gemeinden mehr Möglichkeiten, angemeldeten Veranstaltungen die Genehmigung zu verweigern. Die Frist für die Anmeldung der Versammlung wird von drei auf sechs Tage hinaufgesetzt. Menschenrechtsorganisationen betonen, dass dies die Durchführung von Demonstrationen als Reaktion auf aktuelle Ereignisse sehr erschweren werde. Die Änderung beinhaltet auch eine strafrechtliche Verantwortung des Organisators für nicht ausreichende Sicherung der Ordnung.

"Schwarzer Tag für Demokratie"

Der Chef der "Solidarnosc" Piotr Duda erklärte, dass der Präsident sich für seine Unterschrift schämen solle. "Die Novelle des Gesetzes über öffentliche Versammlungen ist ein schwarzer Tag für die polnische Demokratie", schrieb Duda in einer Erklärung auf der offiziellen Website der Gewerkschaft. Er habe keine Zweifel, dass die Novelle nach einem Urteil des Verfassungsgerichts "im Papierkorb landen" werde.

Die Gesetzinitiative Komorowskis hat von Anfang an Widerstand der Nichtregierungsorganisationen geweckt. Ein Appell an den Senat über eine Ablehnung der Novelle haben 167 Organisationen und 1.100 Bürger unterzeichnet. Mit einer eigenen Bitte wandten sich auch ehemalige Aktivisten des antikommunistischen Untergrunds an Senatoren. Trotzdem hat das Parlament das Gesetz in einer etwas eingeschränkten Version verabschiedet. Ursprünglich war auch ein Vermummungsverbot vorgesehen. Dieses wurde jedoch von den Ausschüssen für Justiz und innere Angelegenheiten herausgestrichen. Grund dafür war das Urteil des Verfassungsgerichts von 2004, das feststellt, dass jeder das Recht auf Anonymität habe. Die Präsidentschaftskanzlei kündigte bereits an, dass sie das neue Gesetz ändern und diese Regelung wiederaufnehmen möchte.

Straßenschlachten vor einem Jahr

Auslöser für den Vorstoß waren die Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei am Unabhängigkeitstag Polens, dem 11. November vergangenes Jahres. Damals kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den rechten Teilnehmern des "Unabhängigkeitsmarsches" und linken Gegendemonstranten (darunter auch Vertreter der deutschen "Antifa"-Bewegung) sowie der Polizei. 210 Demonstranten wurden festgenommen, mindestens 30 Verletzte mussten in Spitäler gebracht werden, darunter drei Polizisten. Auf dem Verfassungsplatz, von wo aus der Marsch von Nationalisten und Rechtsradikalen startete, hinterließen die Demonstranten ein Bild der Verwüstung. Ein Übertragungswagen des Fernsehens ging in Flammen auf. Der bei der Stadt Warschau, der Polizei und bei Fernsehsendern entstandene Sachschaden wurde auf umgerechnet über 550.000 Euro geschätzt.

Heuer werden am Unabhängigkeitstag noch mehr Demonstranten erwartet. Die Demonstrationen werden aber noch der bisherigen Regelungen unterliegen. Das Gesetz wird nämlich erst 30 Tage nach der Veröffentlichung in Kraft treten. Die Präsidentschaftskanzlei teilte am Donnerstag in einer Erklärung mit, dass Komorowski absichtlich die Unterzeichnung der Novelle verzögerte, damit alle Organisatoren der Versammlungen am 11. November gleich betrachtet werden. Gegenüber diesen, die ihre Demonstration nach dem Inkrafttreten des Gesetzes angemeldet hätten, würden sonst die neuen Regelungen angewendet. (APA, 5.10.2012)