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"Lehrlinge sind nicht dazu da, Wurstsemmeln zu holen und die Werkstatt aufzukehren." Doch wichtig wäre es, dem Lehrling die Möglichkeit zu geben, in der Berufschule erlerntes in der Praxis umzusetzen, sagt Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien, Max H. Friedrich.

Foto: APA/dpa/Markus Heine

Im Frühjahr des Jahres ließ eine Studie aufhorchen, die zu dem Ergebnis kam, dass 12,5 Prozent an sich psychisch gesunder Jugendlicher und junger Erwachsener schon an Selbsttötung gedacht haben. Katrin Skala von der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien kam dabei zu dem Schluss, dass Jugendliche, die illegale Drogen konsumieren, Alkoholprobleme haben oder nikotinsüchtig sind, noch deutlich häufiger an Suizid denken.

Wie tragen dazu die psychischen Belastungen von Lehrlingen bei? Max H. Friedrich, Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien, schickt im Gespräch mit derStandard.at voraus: "Die Suizidrate unter Jugendlichen ist in den letzten zwei Jahrzehnten zurückgegangen." Zudem gebe es eine Vielzahl von Auslösern für den Suizid. "Da mag die psychische Belastung in der Lehre einer der Auslöser sein, aber meist wohl nicht der wirkliche Hintergrund dafür."

Erste Schritte in der freien Wildbahn

Die erste Belastung, der sich Lehrlinge stellen müssen, erklärt Friedrich, ist sicher jene, dass sie aus der reglementierten Schulsituation in die freie Wildbahn entlassen werden. Hinzu kommen die Fragen: Bekomme ich eine Lehrstelle in dem Beruf, den ich anstrebe? Hat der Betrieb, in dem ich arbeiten möchte, wohl auch einen Ausbilder auf dem entsprechenden Gebiet, und ist dieser seiner Aufgabe gewachsen?

Gerade die entsprechende Betreuung ist einer der kritischen Punkte in der Lehre. "Lehrlinge sind nicht dazu da, Wurstsemmeln zu holen und die Werkstatt aufzukehren", weiß Friedrich, "das kann nur ein Teil der Aufgaben sein. Wichtig ist, dass der Lehrling unterstützt wird, dass er das, was er in der Fachschule gelernt hat, auch in der Praxis umsetzen kann."

Gute Ausbildner sind rar

Gerade in kleinen Lehrwerkstätten ist es schwierig, richtig geschulte Anleitende zu finden. "Dafür muss ein Betrieb schon relativ groß sein, um sich solche Ausbildner leisten zu können", ist Friedrich überzeugt, verweist aber darauf, dass in letzter Instanz "der Leiter eines Betriebes die Verantwortung über die Lehrausbildung hat." Gleichsam sind auch die Eltern gefordert. So empfiehlt der Vorstand der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, immer wieder den Arbeitstag durch zu gehen, und wenn die Lehre nicht entsprechend ist, die Probleme auch anzusprechen.

Doch über all dem schwebt das Damokles-Schwert, die Lehrstelle zu verlieren, wenn man aufbegehrt, und dann keine weitere Lehrstelle mehr zu finden. Hinzu kommt, dass Lehrlinge ob ihrer Pubertät ohnedies in einer sehr schwierigen Phase ihres Lebens sind. "Die Pubertät ist der Suchprozess nach den drei I: Identität, Identifikation und Intimität." Dabei ist man manchmal mürrisch, manchmal lustig, manchmal überdreht. "Gerade Lehrherren, die keine Kinder haben oder sich kaum mehr an ihre Lehrzeit erinnern, empfinden das dann oft als störrisch oder verneinend", erklärt Friedrich eines der Probleme am Arbeitsplatz.

Hilfsorganisationen ernst nehmen

"Es ist ganz wichtig, dass die Jugendlichen mündig werden", gibt er einen Ausweg vor. "Lehrlinge haben das Recht, sich gewerkschaftlich vertreten zu lassen, Beschwerdestellen aufzusuchen oder bei der Arbeiterkammer um Rat zu fragen, damit der Lehrherr zur Verantwortung gezogen wird. Inzwischen gibt es ja Kinder- und Jugendlichenrechte, die von der UNO festgeschrieben sind und auch das Recht auf Ausbildung festlegen."

Geht man die Probleme nicht an, ist die Gefahr, dass der Jugendliche seine Lehrstelle verliert, sehr groß. Darum sei es auch so wichtig, dass die Eltern für den notwendigen Rückhalt sorgen und helfen, die jeweiligen Situationen realistisch zu betrachten. Mitunter kann auch eine Therapie helfen. "Ich bekomme immer wieder Lehrlinge vorgestellt, bei denen die Eltern sagen, dass sie glauben, es gäbe ein Problem in der Lehre. Es gilt dann herauszufinden, ob es ein interpsychisches Problem ist, oder ob es von außen kommt", sagt Friedrich. "Im Allgemeinen reichen aber zwei oder drei Fachgespräche, und dann ist die Sache bereinigt." Und er erinnert daran, dass im Hintergrund immer noch die Möglichkeit steht, das Arbeitsinspektorat einzuschalten. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 8.10.2012)