"Shifty Adventures in Nookie Wood"

Foto: Domino

JOHN CALE Shifty Adventures in Nookie Wood (Domino)
Mit 70 Jahren befruchtet John Cale seinen immer noch angriffslustigen Rock nun mit Elektronik aus dem Großmarkt. Das zeitigt zumindest zwei, drei eher peinliche Momente auf "Shifty ..." Dass er aus diesem Universum durchaus atmosphärereiche, ja, nachgerade herrliche Songs generieren kann, lässt sich aber ebenso nachhören. Etwa in dem herrischen "Scotland Yard". Doch dem Album ist anzumerken, dass Cale nicht genau weiß, in welche Richtung er will. Zerissenheit ist zwar ein guter Nährboden für die Kunst, für ein durchgängig gelungenes 15. Soloalbum reicht es nicht, trotzdem super.

ELBOW Dead in the Boot (Universal)
Für ihre erlesene Tonsetzerkunst sind Elbow mittlerweile weltberühmt. Immerhin eilt ihnen der Ruf voraus, die besseren Radiohead zu sein. Oder zumindest deren kumpelhafte Ausgabe; jene Version, mit der man für ein paar Tage verschwinden kann, um dann mit Günter-Grass-großen Erinnerungslücken wieder aufzutauchen. Da passt der Albumtitel "Dead in the Boot" gleich prächtig. Um den eingängigen Popsong winden sich die Briten in schönster Weise, meiden das Geradlinige wie Fräulein Rottenmeier die Gülle, erweisen sich auf diesen Umwegen aber als Meister auf dem schmalen Grat zwischen Ziertand und großem Wurf.

RICKIE LEE JONES The Devil You Know (Universal)
Die das ramponierte Dasein zwischen Spelunke, Tourleben und Kollision mit dem bürgerlichen Leben glaubwürdig verkörpernde US-Songwriterin Rickie Lee Jones macht sich hier eine Flasche auf, rollt sich eine Zigarette und spielt spartanisch instrumentiert ein Album mit Coverversionen ein. Die Auswahl wirkt wie eine Autobiografie. Von "Sympathy for the Devil" (Stones), Neil Youngs "Only Love can break your Heart" über den Traditional "St. James Infirmary" bis zum finalen Der-Weg-ist-das-Ziel-Lied "Catch the Wind" (wieder Stones) folgen wir ihr in dunkle Zimmer und staunen. Ein Album zum sehr genau zuhören. Der Aufwand lohnt sich.

MONEYBROTHER This Is Where Life Is (Motor)
Einer Aufnahmetour rund um den Globus bedurfte es, um das neue Album von Anders Wendin alias Moneybrother zu produzieren. Herausgekommen ist Hausmarke. Eingängige Amalgame aus Rock und Reggae-Koketterie. Dazu singt Moneybrother mit Joe-Strummer-Idiom seine Lieder. Nichts neues also, bloß ein neues Album. Aber das genügt in dem Fall allemal.

DINOSAUR JR. I Bet on Sky (Pias)
Dass Dinosaur Jr. plötzlich einen Synthesizer verwenden, hätte beinahe einen Herzstillstand in der Rezensentenbrust ausgelöst. Nach dieser Schrecksekunde und ein paar Songs weiter ins Album reingehört, kam es aber zur vollständigen Genesung. "I Bet on Sky" prolongiert trotz (kurzweiligen) Synthie-Quatschs den Höhenflug der zweiten Inkarnation dieser wegweisenden US-Band. Sturmgitarre und Winselgesang von J Mascis erfreuen, den besten Song verantwortet erstmals Lou Barlow mit Rude. Soll noch einer sagen, es wäre immer dasselbe.

JON SPENCER BLUES EXPLOSION Meat + Bone (JSBE)
Auch hier gibt es nichts spektakulär Neues zu vermelden, auch hier stört das nicht. Jon Spencer hat die Blues Explosion wiederbelebt, "Meat + Bones" ist deren erstes Album seit 2004. Das Trio besinnt sich der Ausgangsposition, Blues mit den Mitteln des Punk zu spielen, lässt aber mehr Groove und versteckten Funk zu als auf diversen Vorgängerwerken. Herzhaft, also kein Grund zur Beschwerde.

MUMFORD & SONS Babel (Universal)
Im Sonntagsanzug der britischen Working Class spielen Mumford & Sons formelhaften Folkrock und sind schrecklich erfolgreich. Drei Jahre und zwei Grammy-Nominierungen nach ihrem Debüt erscheint nun "Babel". Das klingt wie auf dem Reißbrett entworfen, ist glatt wie Asphalt. Darauf zupfgeigenhanseln Mumford & Son mit vermeintlicher Dringlichkeit, heraus kommt aber keine nachvollziehbare Obsession, sondern lediglich höhere Geschwindigkeit. Emotionale Angriffsflächen sucht man vergeblich. (flu, Rondo, DER STANDARD, 5.10.2012)