Auster, vegetarisch: Austernblatt im Tian.

Tian

Zweimal drei Gänge, Gedeck (Joseph-Brot, ja!), Apfelsaft, Wasser, Kaffee: 80,90 Euro.

Foto: Harald Fidler

Minestrone, säuerlich, gut - ja, und so grottig gehen die Bilder leider weiter...

Foto: Harald Fidler

Paradeiser-Taschen, gefüllt mit Chevre, gebettet auf Kohlrabi - das war die Zwischengericht-Variante.

Foto: Harald Fidler

"Das ist ja gut": Die Erbsensuppe meines Gegenübers.

Foto: Harald Fidler

Mein Zwischengang auf Haus, genannt "Erfrischung": Schwammerltatar, Kürbis, Muskatellertrauben.

Foto: Harald Fidler

Und hier seh ich gar nicht schwarz: Black Quinoa mit Papaya und Avocado. "Vegan, falls es Sie interessiert."

Foto: Harald Fidler

"Das ist ja gut!" von gegenüber, kennen wir das nicht schon vom Thema Erbsensuppe? Wenn keine Vegetarierin zur Hand ist, muss eben ein Vegetarier herhalten. Interessant nur, dass gerade Erbsensuppen diese fleischundfischverweigernden Menschen offenbar so besonders in ihren Bann ziehen, und das völlig unabhängig von ihrem Geschlecht. Kollege Taschwer, was sagt dazu die Wissenschaft? Hat vermutlich wieder Wichtigeres zu tun.

Aber der Reihe nach. Diesmal kommt die Erbsensuppe aus dem Tian, in das ich schon ewig will, aber die Kritiken schienen mir anfangs nicht rundweg begeistert, oder meine Erinnerung täuscht, galt es womöglich als ziemlich teuer? Jedenfalls schob ich den Besuch so vor mir her, wiewohl ich ja dem Vegetarischen als Gericht wie als Gegenüber schon länger recht aufgeschlossen bin. Und wenn mir schon ein bekennender Vegetarier vorschlägt, wieder einmal essen zu gehen - Tian!

Verkaufstalent

Die etwas üppige Deko dort ist mir ein bisschen zu üppig, ich hab's ja lieber schlicht, passend zu meinem Gemüt. Aber ich halte schon einen Abend ein paar Ornamente und Spielereien problemlos aus. Und der anfangs etwas überbordende Wortwitz (ja, sogar mir ein bisschen zuviel) des Kellners bremste sich auch ein. Eigentlich wollten wir ja zwei Gerichte und mein Gegenüber dann vor allem zur Operation Dessert Storm ansetzen (den hatten wir schon länger nicht mehr, genau). Aber der junge Verbindungsoffizier von Küche zu Tisch ist auch sehr um unsere Sättigung bemüht.

Also schlägt er vor, nach "exotischem" Caesar's Salad (drüben) und Minestrone (hüben) doch noch Erbsensuppe (drüben) und Paradeistascherl (hüben) einzubauen, bevor wir zum Hauptgang schreiten. Gut, junger Mann, wenn Sie meinen, wohlan! Vor allem mein Gegenüber schien dann sehr froh über den Vorschlag - siehe oben.

Diese Holländer und ihr Kraut!

Aber erst muss ja noch die Küche grüßen, mit Cassis und Quinoa, wenn ich mich recht erinnere, mit Strohhalm aus dem Gläschen zu saugen. Wir wollen keine dunkelrote Sauerei riskieren und lassen den eher feststofflichen "Embryo" (mein Gegenüber) lieber in vitro.

Die Auster lässt dann wieder eine von Fidlers zahlreichen bildungsfernen Schichten abschmelzen: In der Schale einer nämlichen kommt ein Minischichtwerk aus Pumpernickel, Butter & Co, ein Austernblatt und eine Pipette mit einschlägiger Essenz (vom Blatt gespielt, sozusagen).

Ich kannte Austernblätter natürlich noch nicht (oder hatte sie gleich wieder vergessen) und staune über den zarten Geschmack. So gern hab ich noch nie den Fu Long gegeben; gern hätt ich mehr vom Blatt gehabt.

Mein Gegenüber erahnt jetzt, wie Austern schmecken, ohne den (von mir natürlich außerordentlich geschätzten) Meeresglibber in Kauf nehmen zu müssen. Ich sag's ja, Essen bildet. Und dann noch der Beipacktext von unserem kulinarischen Verbindungsoffizier, in meinen Worten aus der Erinnerung: Dieses Austernblatt sei nicht weiter hochgezüchtet wie seine gepimpten Kollegen aus Holland. Gut, manche mögen's halt ein bisserl kräftiger, kennt man ja nicht nur vom Austernblatt.

Dieser Riesenschnauzer!

Caesar's Salad wurde durchaus freudig gezupft, meine Minestrone (mit "Olivenkrusterl") fiel erfreulich säuerlich-frisch aus. Von der Erbsensuppe, in der allerlei hübsche kleine Figuren aus Erbse & Co. baden durften, haben Sie ja schon einiges gehört. Ich Depp hab nicht gefragt, ob ich kosten kann - mit dem Vegetarier bin ich halt nicht ganz so vertraut wie weiland mit der Vegetarierin.

Meine Paradeiser-Teigtaschen, gefüllt mit Chevre, und gebettet auf gedünsteten Kohlrabi, fand ich absolut okay, auch mein Gegenüber war mit der Hauptspeisenvariante sehr einverstanden. Aber die kam ja da doch noch nicht: Lag's daran, dass ich all mein Essen fotografierte? Missverstand man meinen Riesenschnauzer als ernsthaft gastrodetektivisches Erkennungszeichen?

Schwammerl drüber

Jedenfalls überraschte uns die Küche mit "Erfrischungen" - nein, kein Sorbet oder ähnliche Verdauungshilfe vor neuen Taten: zwei kleine Zwischengerichte noch. Für mich Muskatkürbis und Schwammerltartar mit Muskatellertrauben aus dem Abendmenü, drüben Gurke und Avocado und Passionsfrucht, wenn ich das jetzt richtig erinnere. Beides erfreulich, nur vielleicht schon ein bisserl viel.

Vor allem, wenn man noch einen Hauptgang Ziegenkäseparadeisertascherl (drüben) beziehungsweise "Mugaritz Black Quinoa" mit Papaya und Avocado vor sich hat. "Falls es Sie interessiert, Sie essen vegan", erklärt mir der Kellner. Das hat mir ja noch keiner so unverblümt reingesagt. Ich bleibe gelassen. Und finde erfreut: Gar nicht schlecht, bisschen simpel, scheint mir, und mohnig, aber ich schmeck ja bald was, nur weil ich schwarz seh.

Das tat der Vegetarier nun endgültig für jenen Gang, auf den er sich eigentlich immer am allermeisten freut: das Dessert. Sorry, ging nicht mehr. Ich vermute stark, er spitzte auf die After-Eight-Variante mit lauwarmem Schokotoffee, vielleicht auch auf Creme Brulee mit Himbeeren und Zitronen-Verbene. Er wird wiederkommen. Ich bin ganz sicher. Vielleicht nimmt er vorher eine Erbsensuppe. (Harald Fidler, derStandard.at, 27.11.2012)