Eine surreale, menschen-leere Landschaft, in der das mit dem Pinsel weggenommene Kolorit Tunnel in andere Bildebenen öffnet: Arbeit ohne Titel (2012) von Florin Kompatscher.

Foto: Galerie Thoman

Innsbruck - Horizontal verlaufende, breite braune Pinselstriche werden von hellen abgelöst und türmen sich im oberen Bilddrittel zu tiefbraunen, abstrakten Wolken. Erdige Farbtöne, die an Landschaftsbilder der Renaissance erinnern, aber ebenso auf den Titel Tripe de Roche der aktuellen Ausstellung von Florin Kompatscher verweisen.

Die Schau ist bereits die siebente Einzelpräsentation, die die Innsbrucker Galerie Elisabeth und Klaus Thoman dem 1960 in Bozen (Südtirol) geborenen und inzwischen in Berlin lebenden Maler widmet.

Tripe de Roche ist eine Flechtenart, die als Überlebensnahrung der Jäger und Händler in den kanadischen Wäldern galt. Dass auch die Kunst zum Überleben taugen kann, zeigt Florin Kompatschers Ausstellung.

Das bereits beschriebene erdfarbene Gemälde spiegelt sich in einer neuen Werkgruppe gegenüber: Nur wenige Pinselstriche finden sich auf diesen Arbeiten auf Spiegelkarton, in denen sich daher das Publikum auch selbst sehen kann. Auf diese Weise wird nicht nur das Publikum "mitgedacht"; auch der Ausgangspunkt des Malprozesses jener renaissancehaften Bilder, die sich hier spiegeln, wird so verdeutlicht.

Auf eine farblich verlaufende Grundierung trägt Kompatscher nur eine einzige, reine Farbe auf; anschließend nimmt er diese teilweise wieder ab. Erst seine Technik des Wegnehmens, die darunterliegende Farbschichten der Grundierung freilegt, lässt also das Gemälde entstehen: Malstriche laufen plötzlich quer und lassen räumliche Tiefe entstehen.

Dort, wo gegensätzliche Farbnuancen aufeinanderprallen, entsteht manchmal so etwas wie eine Brandung: Etwa dort, wo ein heller Ton aus einer Welle türkisfarbenen Auftrags herausbricht (Ohne Titel, 2012). Oder, wenn durch kurzes Streifen und Verweilen des Pinsels auf der Leinwand dunkle Flecken zurückbleiben. Haarfein sind die Stellen, an denen die unteren Bildschichten durchblitzen.

Die Technik führt zu elegant wirkenden Ergebnissen, ist aber dem Zufall geschuldet. Und dieser entspricht Florin Kompatschers Vorgehen als Künstler: "Ich möchte von meiner eigenen Malerei auch immer gerne selbst überrascht werden", erklärt er.

Besonders eindrücklich ist dies in einer Arbeit zu sehen, die an die surreale Welt Salvador Dalís erinnert: nur ganz vereinzelt schweben Pinselstriche vor einer - im farblichen Verlauf von Ocker bis Türkis - angedeuteten Landschaft (Ohne Titel, 2012). Wie brennende Fackeln scheinen sie durch eine Welt zu fallen, die so nur im Traum existiert. (Tereza Kotyk, DER STANDARD, 4.10.2012)